Heilige Nächte heute - eine zeitgemäße Weihnachtsgeschichte von Stefanie Aufleger

Published: Dec. 23, 2021, 7:14 p.m.

Es begab sich zu jener Zeit, als eine Verordnung der Bund-Länderkonferenz ausging, dass alle Menschen sich solidarisch erklärten und die Ärmel hochkrempelten. Ein, zwei, drei kleine Piekser sollten die pandemische Notlage inter-nationaler Tragweite beenden. Sollten! - Hingegen aller Erwartungen waren die Inzidenzen höher denn je und das Land und die Menschen tiefer gespalten als je zuvor. Obwohl Weihnachten vor der Tür stand, das Fest der Liebe, herrschte große Angst. Wie im letzten Jahr durfte nur im kleinen Kreis gefeiert werden, im Kreise der Familie: mit Abstand, größter Vorsicht und negativ getestet.

Irgendwo in Deutschland machen sich auch heute Menschen auf, um zu ihren Wurzeln zurück zu kehren. Unter ihnen sind Joshua und Marie auf dem Weg, um Jo‘s Familie auf der schwäbischen Alb zu besuchen. Ein wenig bang ist ihnen schon zumute: Marie ist schwanger und Joshua’s Eltern wissen noch nicht, dass sie bald Großeltern werden. „Wir müssen es ihnen schonend beibringen! Das ist kein Thema am Telefon“, hörte man Joshua in den letzten Tage öfters sagen. „Ja, ich weiß“, entgegnet ihm Marie. „Sie sind streng katholisch und besser unglücklich verheiratet als ein Kind unehelich geboren.“

Marie’s Eltern - geschieden! - sind zwar eingeweiht, interessieren sich jedoch wenig für den Nachwuchs. Beide sind mit ihren neuen Partnern vereist und verbringen die Festtage in Übersee. Dankenswerterweise überlässt ihnen Marie’s Mutter ihren ZOE, so kann Joshua zusammen mit seiner jungen Frau (nicht zu verwechseln mit Jungfrau!) im E-Mobil und klimaneutral die Alb bereisen. Für Marie ein wichtiger Punkt, denn sie ist nicht bereit, für den familiären Pflichtbesuch ihres Freundes ihre CO2-Bilanz zu belasten. Und im Zug mit Maske - hochschwanger - keine Option!

Die Fahrt mit dem E-Mobil erweist sich für das Paar gerade als kleine Herausforderung. Seit über einer Stunde suchen die beiden in der schwäbischen Winterlandschaft nach einer Tankstelle. „Marie, wie müssen die Heizung ausmachen, sonst bleiben wir gleich stehen. Wir haben nur noch 12 Prozent.“ - 

„Aber mir ist kalt! Ich frier! Wo sind wir hier? Mitten in Sibirien!“ Auf der Alb wird überall gespart, nicht nur an Tankstellen, sondern auch Mobilfunkmasten sind rar. Angestrengt sucht Jo mit Hilfe seiner App nach der nächsten Stromzapfsäule. Die Tankstelle zwar geschlossen, jedoch mit 24-Stunden-Zahlautomat. Hallelujah! Grad nochmals gut gegangen. Joshua steigt aus, studiert die Anleitung am Zapfhahn und startet kurz darauf eine Fluchparade in ursprünglichster schwäbischer Mundart. Marie versteht kein Wort, wundert sich nur über die Sprachgewandtheit ihres Freundes. 

„Was ist denn nun? Tankst du endlich?“ -
„Geht nicht! Nur für Mitglieder der Raiffeisen-Genossenschaft. Zum Tanken brauchst du einen extra Schlüssel.“ 

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