Die Macht der Erinnerung - GULAG-Gedenken in Russland

Published: Jan. 18, 2024, 9:44 a.m.

b'Wie erinnert man sich heute in Russland an den GULAG, das repressive sowjetische Lagersystem, in dem unter Stalin bis zu 18 Millionen Menschen zu Zwangsarbeit gen\\xf6tigt wurden? W\\xe4hrend unter Chruschtschow und dann in den 1990er Jahren viele Opfer rehabilitiert wurden und eine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit langsam begann, dreht sich heute das Rad der Geschichte offenbar wieder zur\\xfcck: In Geschichtsb\\xfcchern wird Stalin wieder ein "effektiver Manager" genannt und nach Umfragen glauben heute 42% der Russen, die Stalin\'schen Repressionen seien notwendig f\\xfcr den Aufbau des Landes gewesen.

\\nDoch es gibt auch Menschen, die staatliche Verbrechen anprangern, nach der Verantwortung der Gesellschaft fragen und ihre eigenen Wege des Gedenkens an die Opfer suchen. Die Filmemacherin Kerstin Nickig besuchte die einzige GULAG-Gedenkst\\xe4tte Russlands, die sich auf dem Gel\\xe4nde eines authentischen Straflagers f\\xfcr politische Gefangene befindet: Perm-36. Ihr beeindruckender Film sp\\xfcrt in Gespr\\xe4chen mit ehemaligen Lageraufsehern, Neostalinisten, B\\xfcrgerrechtsaktivisten und dem ehemaligen H\\xe4ftling und Mitbegr\\xfcnder der Gedenkst\\xe4tte Sergej Kovaljov den verschiedenen Sichtweisen auf die Geschichte des GULAG und der politischen Verfolgung in Russland nach. Welche Auswirkungen hat die Perspektive auf die Vergangenheit f\\xfcr das Selbstverst\\xe4ndnis der russischen Gesellschaft heute?

\\nDie Gedenkst\\xe4tte f\\xfcr die Geschichte politischer Verfolgung Perm-36 im Permer Gebiet wurde 1994 von ehemaligen politischen Gefangenen und Historikern aus dem Umfeld der Menschenrechtsorganisation Memorial gegr\\xfcndet und ist nun zum Zentrum eines heftigen gesellschaftlichen Konfliktes um die "richtige" Darstellung von Geschichte geworden: Waren die H\\xe4ftlinge des Lagers Perm-36 zurecht verurteilte Vaterlandsverr\\xe4ter oder Opfer eines Unrechtsregimes? Seit die Gedenkst\\xe4tte 2015 verstaatlicht wurde, wird sie konzeptionell neu ausgerichtet. Nun stehen nicht mehr die H\\xe4ftlinge, sondern das Strafvollzugssystem als solches im Vordergrund - und Lageraufseher von einst sitzen statt ehemaliger H\\xe4ftlinge im Expertenrat.'