Wunderbare Gewissheit

Published: April 27, 2023, 4:04 a.m.

Eine unserer sehr alten Mitschwestern im Altenheim ist zwischendurch immer mal etwas desorientiert, verwirrt, ein bisschen "neben der Spur", wie man so sagt. Dieser Tage war das auch so. Sie kam ins Nachbarzimmer, hat sich vorgestellt und der dortigen Mitschwester freundlich gesagt, dass sie jetzt hier im Haus eine Weile bleiben wird und das Nachbarzimmer bewohnt. Wir beide haben uns bedankt und ich habe ihr versprochen, sie gleich auch zu besuchen. Im Gespr\xe4ch dann in ihrem Zimmer haben wir \xfcber Gott und die Welt, \xfcber den Krieg in der Ukraine und \xfcber den wechselhaften April geplaudert, \xfcber ihr schlechtes Befinden und dar\xfcber, dass man mit 99 nun auch tats\xe4chlich alt ist und dass das Leben noch nie so schwierig war. Dann sind wir so die Etappen ihres langen Lebens entlanggegangen. 1923 geboren hat sie die Hitlerzeit, den zweiten Weltkrieg, die harte Nachkriegszeit sehr bewusst erlebt und dann im Orden an vielen Stationen sehr segensreich f\xfcr viele Menschen gearbeitet. Da kommt pl\xf6tzlich ein Erinnern und sie sagt: "Oh, das ist ja wahr: Es war nie nur leicht und manches echt hart. Aber wenn ich das so jetzt sehe, habe ich ein sehr sch\xf6nes Leben."\xa0Und ihr freundliches L\xe4cheln war wieder da und die Einordnung in Zeit und Raum wieder gegeben. Das Radio, das sie sonst immer genutzt hat, habe ich ihr wieder angeschaltet, den richtigen Sender gesucht und habe mich von ihr, die jetzt zufrieden in ihrem Sessel sa\xdf, wieder verabschiedet.\n\nViele Menschen kennen das: Die alten und sehr alten Mitmenschen kommen mit der scheinbar immer schneller gehenden Gegenwart nicht mehr klar, leiden unter den Kriegsberichten, den Bildern von Angriffen auf St\xe4dte und deren Opfer, von Fl\xfcchtenden und verletzten Kindern. In der Verquickung mit dem eigenen Erinnern verheddert sich alles und wird immer unsortierter. Oft tut es dann gut, wenn sich jemand Zeit nimmt, den Geschichten lauscht und bei der Einsortierung hilft. Und wenn man es schafft, N\xe4he und Vertrauen zu vermitteln, dieses: Ich bin bei Dir, ich halte Dir die Hand, ich h\xf6re Dir zu, ich mag Dich gern.\n\nDass Gott uns zusagt, dass wir bis zum Ende die W\xfcrde der Gotteskindschaft besitzen, ist eine wunderbare Gewissheit. Aber dass wir unseren Mitmenschen dabei helfen, sie auch zu sp\xfcren und zu haben, ist manchmal ganz leicht und hilft ungemein.