Wenn der Morgen die Nachtschwarze vertreibt

Published: Jan. 12, 2023, 6:14 a.m.

"Seht, golden steigt das Licht empor - da schwindet hin die dunkle Nacht,\ndie unsren richtungslosen Schritt hart an des Abgrunds Rand gebracht."\n\n\nBisher habe ich diese erste Strophe im Hymnus der Laudes immer ganz arglos und freudig gebetet. Bis dieser Tage. Da ist mir nahezu jedes Wort nochmal anders bewusst geworden.\n\nNach einem Mittelfu\xdfbruch musste ich nach der Operation doch ein paar Tage im Krankenhaus bleiben. Mit meiner sehr netten, nach einem Treppensturz sehr schwerverletzten Zimmernachbarin, habe ich mich am Tag wunderbar unterhalten \xfcber Gott und die Welt, \xfcber Reisen und \xfcber die Familie und wie gut es ihr mit allem geht. Alles was so am Tag war, wurde klaglos erledigt und ertragen.\n\nAber dann kamen die N\xe4chte und die Schmerzen und ihre \xc4ngste und Sorgen. Und die Schmerzmittel, die scheinbar nicht wirkten und die Sorge um Mann und Familie und Zukunft und, und, und... Und von der Station h\xf6rte man viele Ger\xe4usche von rennenden Nachtwachen, lauten Klingelt\xf6nen, j\xe4mmerlichen Klagen und Weinen und aufgeregtem Telefonieren. Und wenn ich dann doch mal kurz eingeschlummert war, hat sie mich laut klagend gebeten, ihr doch zu helfen.\n\nUnd so sind wir zusammen durch die Nacht geschlingert mit Jammern und Klagen und der eindringlichen Bitte an Gott und die Gottesmutter, diese Nacht doch vorbeigehen zu lassen und wenn es Gott doch hoffentlich gibt, dann sollte er doch\u2026\n\nUnd dann ist er doch gekommen, der so ersehnte Morgen. Ein leicht heller werdender Himmel, mehrere ruhige Stimmer des Fr\xfchdienstes auf dem Flur und die Nachtschw\xe4rze innen und au\xdfen verschwand immer mehr. Und mit dem heller werdenden Himmel verschwanden auch die n\xe4chtlichen D\xe4monen der Angst und Sorge und der Not um die Zukunft. Und dann habe ich den Hymnus f\xfcr uns beide laut gebetet und nie war er mir passender als an diesem dankbar erreichten Morgen:\n"Seht, golden steigt das Licht empor - da schwindet hin die dunkle Nacht,\ndie unsren richtungslosen Schritt, hart an des Abgrunds Rand gebracht.\nUnd jener letzte Morgen einst, den wir erflehn voll Zuversicht, er finde wachend uns beim Lob und \xfcberstr\xf6me uns mit Licht. Amen"