Tag der Versohnung

Published: March 30, 2022, 4 a.m.

Gleich nachher mache ich mich auf den Weg nach Hersel in die Ursulinenschule. Dort ist der \u201eTag der Vers\xf6hnung\u201c. Diese Idee eines Schulseelsorgers ist schon ziemlich in die Jahre gekommen und ist trotzdem frisch und neu. Die Idee ist: Die gesamte Schulgemeinde des Gymnasiums und der Realschule hat einen Plan und in den k\xf6nnen sich ganze Jahrgangsstufen eintragen, wenn sie das Angebot zu Gespr\xe4chen und Beichtgelegenheiten nutzen m\xf6chten. Und dann sitzen in der Schulkirche Seelsorgerinnen und Seelsorger beider christlicher Kirchen und sind bereit f\xfcr die Kinder und Jugendlichen. Manche kommen zu zweit und zu dritt, manche aber auch allein. Weil sie etwas auf dem Herzen haben, dass sie besprechen m\xf6chten, dass ihnen Druck und Probleme macht.\n\nGanz oft sind das die typischen M\xe4dchenprobleme: Zoff in der Klasse, unter den Freundinnen, Ausgrenzung untereinander und Trouble mit den Lehrern. Normal eben. Aber es gibt auch Dinge, die mich jedes Jahr aufs Neue erschrecken: Probleme zu Hause, Trennungen und h\xe4usliche Gewalt, Missbrauch im Familienkreis und Schweigegebote, sonst passiere etwas Schlimmes. Und sehr h\xe4ufig sind die M\xe4dchen in Tr\xe4nen aufgel\xf6st und versuchen sich m\xfchsam zu beherrschen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Und oft sind auch die Angebote der Schulen da ziemlich hilflos. Die Vertrauenslehrer sind eben auch Lehrer und Lehrerinnen und das Gef\xfchl, dass ich die ja noch jahrelang im Unterricht habe, ist nicht so vertrauenserweckend.\n\nManche Probleme l\xf6sen sich, wie wir alle wissen ja schon damit, dass da wirklich jemand zuh\xf6rt. Und wenn Dinge ausgesprochen werden k\xf6nnen, dr\xfccken sie schon etwas weniger. Und vorsichtiges Nachfragen und klarmachen, dass ich sie verstehe und das Problem sehe, hilft oft sehr. Aber an diesen Tagen der Vers\xf6hnung wird mir immer wieder deutlich, wie sehr wir als Kirche und Gesellschaft verlernt haben, auf Wegen der Vers\xf6hnung zu gehen: mit mir selber, mit meinem Umfeld, mit Gott. Zu oft suchen wir S\xfcndenb\xf6cke und Schuldige, denen wir die Last auflegen k\xf6nnen. Wie vor Tausenden von Jahren.Aber eine Frage, eine Sorge miteinander besprechen, zusammen nach L\xf6sungen zu suchen, eine Schulter zum ausweinen zu bieten und das Angebot zu machen, lass uns zusammen in deinem Anliegen beten, das geschieht einfach zu selten.\n\nImmer bevor die N\xe4chsten zu mir kommen, bitte ich Gott um seinen heiligen Geist und um offenes Herz und Ohr und um das richtige Wort, wenn es notwendig ist. Und vielen M\xe4dels ist es ein unglaublich tolles Angebot, nach dem Gespr\xe4ch ein Teelicht zu bekommen, es an zu z\xfcnden und vor den Altar zu stellen: in die Gegenwart Gottes mitten unter uns. So ein Tag der Vers\xf6hnung ist sicher auch f\xfcr manche von uns eine gute Idee, um mal wieder klar Schiff zu machen im Umgang mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen und mit Gott.