Ich sitze in der Anbetungskapelle unseres Mutterhauses. Es ist noch ziemlich dunkel und nur die Beleuchtung des Tabernakels mit der Monstranz und einige kleine Deckenleuchten sind eingeschaltet. Die Fenster stehen offen und mit dem Wind und der frischen Luft wehen Vogelstimmen herein. Es klingt, als w\xfcrden sich die V\xf6gel leise gegenseitig wecken und f\xfcr den neuen Tag ermuntern.\n\nUnd ich h\xf6re ein dauerhaftes Rauschen, mal leiser, mal lauter, in schneller Folge vom charakteristischen Klacken, wenn die Fahrzeuge die Dehnungsfugen \xfcberqueren, unterbrochen. Es ist die benachbarte Autobahn mit den Autos und LKWs die schon fr\xfch unterwegs sind und dieses Dauerhintergrundger\xe4usch liefern.\n\nIn meinem Kopf laufen Hintergrundbilder von der Tagesschau gestern Abend mit der Gewalt gegen Israel, den Vergeltungsschl\xe4gen gegen den Gaza Streifen und Tr\xe4nen, Schreien und Verzweiflung und einen Verteidigungsminister, der mit martialischen Worten die n\xe4chsten Strafma\xdfnahmen verk\xfcndet. Und in meinem Herzen tobt die Not der Menschen dort und die eigene hilflose Ratlosigkeit.\n\nImmer mehr Schwestern kommen leise in die Kapelle, verneigen sich oder knien nieder, beten an und gehen auf ihre Pl\xe4tze. Und ich glaube, dass es fast jeder Schwester so geht wie mir. Und wir sitzen oder knien in der geglaubten Gegenwart des allm\xe4chtigen Gottes, der ein Gott des Friedens ist f\xfcr seine Menschen und der in und mit den Menschen leidet und weint. Und dann f\xe4llt mir ein, dass heute an den heiligen Papst Johannes XXIII. gedacht wird.\n\nIn den Wirren der Kubakrise 1962 vermittelt er und am Morgen des 24. Oktober l\xe4sst er in der amerikanischen und in der sowjetischen Botschaft in Rom seinen Friedensappell \xfcberreichen.\n\nEinen Tag darauf machte der Heilige Vater seinen Appell in einer Ansprache bei Radio Vatikan \xf6ffentlich: "Wir flehen alle Regierenden an, vor dem Schrei der Menschheit nach Frieden nicht taub zu bleiben...die Verhandlungen wiederaufzunehmen...Gespr\xe4che auf allen Ebenen und zu jeder Zeit in Gang zu bringen, zu beg\xfcnstigen und zu akzeptieren, ist eine Regel der Weisheit und Klugheit...".\n\nUnd seine Vermittlung war damals von Erfolg gekr\xf6nt. Im Namen des dreifaltigen Gottes, der ein Gott des Friedens ist.\n\nUnd dann beginnt unser gemeinsames Morgenlob mit der Bitte um Frieden. Dringlich und trotzdem in Ruhe, mit dem Gesang der V\xf6gel und dem Rauschen der Autobahn im Hintergrund und mit wehem Herzen und der vor Gott gebrachten Ratlosigkeit und Hoffnung.