Wenn wir zusammen unseren Morgenimpuls beten, dann tut das vermutlich jeder und jede an einem ganz anderen Ort, in einer vermutlich ganz anderen Situation. Vielleicht haben Sie ja gerade ein Kreuz vor sich stehen oder h\xe4ngen. In der Fastenzeit hat sich seit vergangenem Sonntag etwas ge\xe4ndert. Zum einen sind in vielen Kirchen die Kreuze bis zum Karfreitag verh\xfcllt worden und zum anderen haben sich auch die t\xe4glichen liturgischen Texte inhaltlich ge\xe4ndert. Es geht jetzt weniger um das Fasten, sondern mehr um die Passion Jesu, also um sein Leiden. Das Kreuz erinnert uns das das Leiden Jesu.\n\nWenn wir Schwestern morgens und abends in unserer Hauskapelle zusammenkommen und gemeinsam beten, dann schauen wir auch gemeinsam auf ein Kreuz. Es ist ein Taukreuz, wie es bei Ordensleuten der Franziskaner h\xe4ufig zu sehen ist, und darin ist ein Beh\xe4ltnis mit dem Allerheiligsten eingelassen.\n\nDieser alte Brauch, nach dem die Kreuze einige Zeit verh\xfcllt werden, erschlie\xdft sich nicht sofort jedem gleich. Denn gerade in der Zeit, in der wir intensiver das Leiden Jesu in den Blick nehmen sollen, verdecken wir das Symbol, welches gerade dieses Leiden zeigt. Und klar ist auch, dass eine Kreuzigung in der Antike kein "Kindergeburtstag" war. Das war schon eine \xe4u\xdferst brutale und grausame Hinrichtungsmethode, bei der man lieber wegschauen m\xf6chte. Aber Gott antwortet auf eine solche Grausamkeit nicht mit Gegengewalt oder Vergeltung. Nein, er l\xe4sst von seiner Liebe zu uns Menschen nicht ab. Ich stelle mir manchmal die Grausamkeiten und all die Gewalt unserer Tage vor \u2013 im Kleinen wie im Gro\xdfen \u2013, wenn Menschen furchtbares erleiden und durchmachen m\xfcssen.\n\nAber bei manch einem wird dabei vieles gebrochen, nur die Liebe nicht. Gewalt kann vieles vernichten, aber die Liebe weicht nicht. Denn jeder Gewaltakt fordert geradezu Werke der Liebe heraus. Wenn Opfer getr\xf6stet werden, wenn ihnen die Hilfe zuteilwird, die sie gerade brauchen. Diesem unfassbar grausamen Krieg in Osteuropa mit all seinen sinnlosen Opfern steht immer noch eine unglaubliche Hilfsbereitschaft von vielen Menschen auch hierzulande gegen\xfcber. Ein Kind, das in der Schule gemobbt, geh\xe4nselt, ja sogar verpr\xfcgelt wird, wird von seinem Lehrer oder seiner Mutter getr\xf6stet.\n\nWir k\xf6nnen uns viele solcher "gekreuzigter" Menschen vorstellen. Vielleicht sind die verh\xfcllten Kreuze in der noch verbleibenden Zeit bis Karfreitag eine M\xf6glichkeit, die nicht sichtbare Stelle in Gedanken mit denen auszuf\xfcllen, die unsere mitmenschliche Liebe neu oder wieder entfachen und uns zum Handeln bringen.