Klaus von Dohnanyi: "Die Zeiten werden sehr sturmisch werden"

Published: May 27, 2018, 10:16 a.m.

b'F\\xfcr die Herausforderungen der Zukunft sieht der SPD-Politiker Klaus von Dohnanyi die liberalen Demokratien schlecht ger\\xfcstet. Sie m\\xfcssten sich grundlegend reformieren. Erst dann lie\\xdfen sich die Probleme meistern.Nicht \\xfcber Politik zu sprechen, ist sehr vern\\xfcnftig - jedenfalls gelegentlich und unter Freunden. Stattdessen, sagt Klaus von Dohnanyi, Jahrgang 1928 und ehemaliger Minister unter den Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt, gehe er mit Angela Merkel lieber ins Konzert. \\xdcber Musik und Kunst k\\xf6nne er sich mit der deutschen Kanzlerin sehr gut verst\\xe4ndigen - so gut, dass beide seit langem in inniger Freundschaft verbunden sind. Und noch etwas verbinde die beiden, erkl\\xe4rt von Dohnanyi im "Interview der Woche" der DW: "Wir betrachten die Welt sehr pragmatisch".\\n\\nPragmatik ist f\\xfcr von Dohnanyi, seit 60 Jahren SPD-Mitglied, Grundlage aller vern\\xfcnftigen Politik: "Wenn man Politik machen will, muss man sie so machen, dass sie sich mit den Wirklichkeiten auseinandersetzt und nicht mit irgendwelchen entt\\xe4uschenden Hoffnungen."\\n\\nDiese Haltung vertrete auch die Kanzlerin. Allerdings sei es heute sehr viel schwieriger als fr\\xfcher, Politik zu gestalten. Das liege vor allem daran, dass die Welt komplizierter geworden sei. "Es gibt viel mehr Staaten. Es gibt viel mehr Bed\\xfcrfnis auch gro\\xdfer Staaten sich wieder zur\\xfcckzuziehen auf ihre eigenen Interessen. Das sieht man an Amerika, aber auch an anderen L\\xe4ndern." Paradoxerweise f\\xfchre die Globalisierung dazu, dass die verschiedenen Regionen sich wieder selbst regieren wollten. "Ihnen ist alles zu weit weg. Br\\xfcssel ist zu weit weg. Washington ist zu weit weg. Sie wollen lieber wieder selbst, und das macht die Arbeit nat\\xfcrlich schwer."\\n\\nUSA werden zum Problem f\\xfcr die Europ\\xe4er\\n\\nEine wesentliche Herausforderung f\\xfcr Europa sei der neue Kurs der USA unter Donald Trump. Das gehe vor allem auf die US-Sanktionspolitik zur\\xfcck. Mit Hilfe der Sanktionen zw\\xe4ngen die Amerikaner die Europ\\xe4er und andere dazu, "Dinge zu tun, die die Staaten nicht tun wollen. Das ist Sinn der Sanktionspolitik."\\n\\nF\\xfcr weniger problematisch h\\xe4lt von Dohnanyi zumindest vom Grundsatz her das Verh\\xe4ltnis zu Russland.\\n\\n"Mit Putin m\\xfcsste man sehr viel mehr reden." Allerdings: "Da sind die Amerikaner im Wege, weil sie die Gespr\\xe4che, die Verhandlungen mit Putin blockieren." Dabei s\\xe4hen auch viele amerikanische Politiker Gespr\\xe4che als einzige M\\xf6glichkeit, das westlich-russische Verh\\xe4ltnis wieder neu zu ordnen.\\n\\nEin schwaches Europa\\n\\nEuropa sieht von Dohnanyi derzeit in einer schwachen Position. Das habe vor allem einen Grund: "Die Europ\\xe4er k\\xf6nnen sich nicht auf eine gemeinsame Au\\xdfen- und Verteidigungspolitik einigen." Solle sich das \\xe4ndern, erfordere dies eine verst\\xe4rkte F\\xfchrungsrolle von Deutschland und Frankreich. "Deutschland und Frankreich m\\xfcssen die Dinge in die Hand nehmen, m\\xfcssen Europa f\\xfchren. Es hat noch nie eine Einigung eines gro\\xdfen Raumes gegeben ohne einen Hegemonialpartner. Und ehe die Franzosen nicht verstehen welche Chance sie dort haben, auch mit Deutschland h\\xe4tten, ehe das nicht geschieht, wird auch Europa nicht vorankommen."\\n\\nEin geeintes Europa sei auch n\\xf6tig, weil sich Alte und Neue Welt derzeit auseinanderlebten. Beide seien nicht mehr durch identische Interessen verbunden. Das gehe durchaus auch auf geographische Voraussetzungen zur\\xfcck: "Nach Amerika kommt kein Fl\\xfcchtling mit dem Ruderboot. Bei uns sind sie alle sofort im Lande."\\n\\nDie Frage, ob die liberalen Demokratien f\\xfcr die Herausforderungen der Zukunft hinreichend ger\\xfcstet seien, beantwortet von Dohnanyi zur\\xfcckhaltend. Deren Hauptproblem - "nicht nur in Europa, auch in Australien, in Neuseeland, in Island also wo immer Sie hinschauen" - sei, dass sie keine festen Verfassungsstrukturen f\\xfcr die neue Zeit h\\xe4tten. "Wir m\\xfcssen sehen, ob unserer Form zu w\\xe4hlen, unsere Form Regierungen zu bilden noch stabil genug sind f\\xfcr diese st\\xfcrmischen Zeiten, die vor uns liegen, und die Zeiten werden sehr st\\xfcrmisch werden, sehr st\\xfcrmisch."\\n\\nNiedergang der Sozialdemokratie\\n\\nJust in diese aufgew\\xfchlte Zeit f\\xe4llt der Niedergang der Sozialdemokratie. Diesen sieht von Dohnanyi vor allem dadurch begr\\xfcndet, dass zentrale sozialdemokratische Anliegen - etwa die wachsende Ungleichheit oder das Problem einer gerechteren Verteilung - in einer liberalen Demokratie sehr schwer zu organisieren seien. Zwar stehe Deutschland bei der Einkommensungleichheit sehr gut da. "Aber bei der Verm\\xf6gensungleichheit haben wir die Probleme aus den vergangenen vielen Krisen. Diese Folgen haben wir noch nicht wirklich im Griff - und das ist ein gro\\xdfes Problem."\\n\\nF\\xfcr den Niedergang der deutschen Sozialdemokratie sieht von Dohnanyi auch personelle Gr\\xfcnde. Indem sie auf Martin Schulz als SPD-Chef und Kanzlerkandidat setzte, habe die SPD "einen kardinalen Fehler" gemacht. "Der Mann war nicht geeignet eine Partei zu f\\xfchren, nicht geeignet die SPD zu f\\xfchren, nicht geeignet, politische Entscheidungen wirklich sorgf\\xe4ltig zu durchdenken. Der ist halt ein netter Kerl, aber kein guter Politiker. Den h\\xe4tte man da nie an der Spitze haben d\\xfcrfen."\\n\\nSkeptisch zeigt sich von Dohnanyi gegen\\xfcber dem Vorschlag einer linken Sammlungsbewegung aus SPD, Gr\\xfcnen und Linken. Dass diese komme k\\xf6nnte, h\\xe4lt der SPD-Mann f\\xfcr denkbar. Allerdings: "Ich glaube man muss da sehr aufpassen, dass da nicht wie meist in diesem Zusammenhang eher die Radikalen bestimmen, wo es hin gehen soll." Die Geschichte lehre, dass bei einer gemeinsamen Regierung von Sozialdemokraten und Kommunisten immer die Kommunisten regiert h\\xe4tten - "obwohl sie urspr\\xfcnglich einen kleineren Anteil hatten".\\n\\n"SPD muss Herausforderungen der Globalisierung verstehen"\\n\\nSeiner Partei macht SPD-Mann von Dohnanyi vor allem einen Vorwurf: Sie habe die Erfordernisse der globalisierten Welt nicht hinreichend verstanden. Als Beispiel nennt er die Senkung der Unternehmenssteuer in den USA. In Reaktion auf sie denke Deutschland sofort dar\\xfcber nach, sie ebenfalls zu senken. "Das hei\\xdft, die Wettbewerbsbedingungen in der Welt bestimmen eigentlich, was man tun kann. Das muss man als Ausgangspunkt akzeptieren." Sachzw\\xe4nge k\\xf6nne und d\\xfcrfe man nicht leugnen. Eben das tue aber die SPD, und das sei ihr wesentlicher Fehler. "Nat\\xfcrlich gibt es Sachzw\\xe4nge, und mit denen muss man sich konstruktiv auseinandersetzen."\\n\\nDieser Herausforderung m\\xfcsse sich die SPD noch stellen. "Wenn die SPD einmal dazu sich durchgerungen hat, festzustellen, dass Wettbewerb und Markt und Freiheit zusammenh\\xe4ngen und dazu zwingen, Dinge zu tun die man vielleicht lieber anders machen w\\xfcrde - dann kann man auch anfangen wieder richtig mit der SPD zu segeln."\\n\\nWesentlich gepr\\xe4gt sieht sich Klaus von Dohnanyi durch seinen Vater, den Juristen und Widerstandsk\\xe4mpfer gegen das NS-Regime, Hans von Dohnanyi. Er wurde von den Nazis hingerichtet, als sein Sohn Klaus sechzehn Jahre alt war. Von ihm habe er vor allem eines gelernt: "zu seiner Meinung zu stehen und sich nicht zu f\\xfcrchten, wenn andere anderer Meinung sind."'