Neuperlach. Utopie des Urbanen

Published: Jan. 1, 2003, 11 a.m.

b'Neuperlach, M\\xfcnchens erste Trabantenstadt - seit 1961 projektiert und zwischen 1968 und 1979 bis auf den erst in j\\xfcngerer Zeit vollendeten S\\xfcdteil fertiggestellt - ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: in ihren Dimensionen und in ihrem Anspruch. Das gr\\xf6\\xdfte bundesdeutsche Siedlungsprojekt war nicht nur als Antwort auf die drastische Wohnungsnot dieser Zeit gedacht, sondern auch als Schritt in die Zukunft eines modernen, vorw\\xe4rtsgewandten, humanen St\\xe4dtebaus in der Tradition der historischen europ\\xe4ischen Stadt. \\n\\nNeuperlach steht dabei an einem urbanistischen Wendepunkt. Es ist das Kind einer Umbruchzeit, in der sich alte und neue st\\xe4dtebauliche Leitbilder gegen\\xfcberstehen. Die noch immer wirksamen Ideologien der 1940er- und 50er-Jahre n\\xe4mlich waren gerade aus der Opposition zur traditionellen Stadt heraus konzipiert worden. Besonders trifft dies auf die organizistischen Leitbilder der "organischen Stadt" (1948) und der "gegliederten und aufgelockerten Stadt" (1957) zu, die der "Vermassung" der modernen Stadt die "Entballung", der "Entartung des Lebens" die Nat\\xfcrlichkeit der "Stadtlandschaft" entgegenstellen wollten. Auch das funktionalistische Konzept der Charta von Athen (1933) propagierte, wenn nicht keine, so doch eine ganz andere Stadt als die bekannte und bezog ihre Legitimation aus der behaupteten "Krankheit" der Stadt der Gegenwart. \\n\\nGegen die ideologischen Grundlagen dieser \\xe4lteren Leitbilder formierte sich Mitte der 1960er-Jahre erheblicher Widerstand von Seiten derjenigen Kritiker und Stadtplaner, die den Wert gerade der gro\\xdfst\\xe4dtischen Lebensform wiederentdeckten. "Urbanit\\xe4t durch Dichte" wurde zum Schlagwort und zur Forderung eines modernen St\\xe4dtebaus. Zwar entsprachen die Planungen Neuperlachs in ihrer prinzipiellen Bejahung des St\\xe4dtischen bereits seit 1961 diesen Vorstellungen - zu einem Zeitpunkt, als sie noch kaum formuliert, geschweige denn allgemein akzeptiert waren. Doch fehlte diesem in der Praxis noch v\\xf6llig unerprobten urbanen Stadtgedanken jegliches neue st\\xe4dtebauliche Instrumentarium. In dieses Vakuum konnten die organizistischen, zum Teil auch die funktionalistischen Leitbilder vorsto\\xdfen, die \\xfcber ein vollst\\xe4ndig ausgearbeitetes Programm an st\\xe4dtebaulichen L\\xf6sungen verf\\xfcgten. Ihre Strukturvorstellungen und die mit ihnen verbundenen gestalterischen Pr\\xe4missen schoben sich in die Zwischenr\\xe4ume, die das Konzept der \\u201aurbanen Stadt\' offenlie\\xdf. Ihre unreflektierte Pr\\xe4senz verl\\xe4ngerte die Ideologien der Vergangenheit in die Zukunft und ist typisch f\\xfcr eine den St\\xe4dtebau der 1960er-Jahre insgesamt pr\\xe4gende Problemkonstellation: Der Widerspruch zwischen einer Renaissance des Stadtgedankens, die sich im Glauben an die mechanische Herstellbarkeit des St\\xe4dtischen ersch\\xf6pft, und der unbemerkten Nachwirkung \\xe4lterer, stadtfeindlicher Leitbilder lassen die "Utopie des Urbanen" letztlich scheitern.'