Verhaltenspharmakologische und molekularbiologische Untersuchungen zum Opiatentzug bei der Ratte

Published: June 17, 2002, 11 a.m.

b'Die vorliegende Arbeit besch\\xe4ftigte sich mit verschiedenartigen Aspekten zum Thema\\nOpiatentzug. Dabei wurde die Funktionalit\\xe4t \\xb5-Opioidrezeptor-gekoppelter G-Proteine in der\\nintrazellul\\xe4ren Signaltransduktionskaskade im Entzug und unter chronischer Opiatverabreichung\\nuntersucht. Als Ergebnis dieser Studie, die mittels einer in situ [S35]-GTP\\u03b3SAutoradiographie\\ndurchgef\\xfchrt wurde, konnte die Erkenntnis best\\xe4tigt werden, nach der eine\\nAdaption auf extern zugef\\xfchrte Opioide nicht auf einer Ver\\xe4nderung von Rezeptoren oder\\nderen Interaktion mit G-Proteinen beruht (Kapitel 2). Vielmehr scheinen intrazellul\\xe4re, durch\\nGenexpression gesteuerte Mechanismen f\\xfcr eine erfolgreiche Adaption an ver\\xe4nderte\\nUmweltbedingungen ausschlaggebend zu sein. Hierbei spielt eine ver\\xe4nderte Transkription\\nvon CREB und somit in Folge eine erh\\xf6hte Transkription der Adenylatcyclase eine tragende\\nRolle. Eine weitere Studie besch\\xe4ftigte sich mit einem neuartigen Konzept zur Verst\\xe4rkung\\nvon opioidagonistischen Wirkungen durch die Zugabe von Opioidantagonisten in geringer\\nDosierung (low dose Naloxon-Konzept, Kapitel 3). Hier konnte in verhaltensbiologischen\\nUntersuchungen kein Effekt nachgewiesen werden. Insbesondere konnte nicht nachgewiesen\\nwerden, dass die Koverabreichung von low dose Naloxon w\\xe4hrend der Abh\\xe4ngigkeitsentwicklung\\nEntzugserscheinungen moduliert. Beide Studien besch\\xe4ftigen sich direkt und\\nindirekt mit der in der Wissenschaft intensiv diskutierten Frage der Existenz von Gs-Proteingekoppelten\\nOpioidrezeptoren, die neben den bereits bekannten Gi/o-Protein-gekoppelten\\nOpioidrezeptoren in der Zellmembran lokalisiert sind. Ein autoradiographischer Nachweis\\nhierzu steht bislang aus. Abhilfe k\\xf6nnte eine weiterentwickelte [S35]-GTP\\u03b3SAutoradiographie\\nschaffen, in der durch selektive Blockade der Gi/o-Protein-gekoppelten\\nOpioidrezeptoren durch Pertussistoxin ein Nachweis Gs-Protein-gekoppelter\\nOpioidrezeptoren in situ m\\xf6glich sein m\\xfcsste. Ein direkter Nachweis dieser Kopplung\\ner\\xf6ffnet v\\xf6llig neuartige Perspektiven in der modernen Opioidpharmakologie, da durch\\nselektive Liganden dieser Gs-Protein-gekoppelten Rezeptoren die Opiatwirkung in der\\nklinischen Anwendung verst\\xe4rkt werden k\\xf6nnte. M\\xf6glicherweise findet dieses Wirkprinzip\\nbereits unbeabsichtigt seit Jahren Anwendung: der Opiatagonist Tilidin (Valoron N\\uf8e8) kommt\\nbei der Behandlung mittelschwerer bis schwerer Schmerzen zum Einsatz. Als Besonderheit ist\\ndiesem Pr\\xe4parat der Opiatantagonist Naloxon im Verh\\xe4ltnis 1:12,5 (Einzeldosis: 4 mg\\nNaloxon/50 mg Tilidin) beigemischt, um eine missbr\\xe4uchliche Anwendung zu unterbinden.\\nBei normaler therapeutischer Dosierung unterliegt der Naloxonanteil einem intensivenhepatischen Abbau, so dass Tilidin voll wirksam ist. Bei missbr\\xe4uchlicher Einnahme hoher\\nDosen durch Opiatabh\\xe4ngige wird der Naloxonanteil nicht vollst\\xe4ndig metabolisiert;\\nEntzugssymptome werden provoziert oder bereits bestehende werden verst\\xe4rkt. Tilidin selbst\\nwird in der Leber zu Nortilidin und Binortilidin metabolisiert, wobei Nortilidin als der\\neigentliche Opiatagonist am Rezeptor angesehen wird (Schulz et al. 1978). M\\xf6glicherweise\\npassieren aber geringste Spuren von Naloxon bei normalem therapeutischen Einsatz die Leber\\nund k\\xf6nnten folglich im low dose -Bereich wirksam werden. \\xdcber die Wirkungsweise low\\ndose Naloxon-vermittelter Verst\\xe4rkung der analgetischen Wirkung von Opiaten k\\xf6nnen nur\\nrein hypothetische Ans\\xe4tze formuliert werden. Neben den bereits diskutierten Gs-Protein\\ngekoppelten Opioidrezeptoren k\\xf6nnte auch ein Einfluss auf die Internalisierung von\\nOpioidrezeptoren m\\xf6glich sein. Hier steht, neben dem dringend n\\xf6tigen Nachweis Gs-Protein\\ngekoppelter Opioidrezeptoren, ein v\\xf6llig neuartiges Forschungsgebiet der\\nOpioidpharmakologie offen.\\nIm letzten Teil der vorliegenden Arbeit konnte erstmals das Ph\\xe4nomen konditionierter\\nOpiatentzug n\\xe4her charakterisiert werden (Kapitel 4). Auch wenn es nicht gelang, aus der\\nVielzahl an Entzugserscheinungen die wichtigsten Kardinalsymptome zu konditionieren, so\\nbesteht dennoch kein Zweifel, dass Entzugssymptome ausreichend konditioniert werden\\nk\\xf6nnen und dass diese konditionierten Symptome mit einer Aktivierung von\\nStressmechanismen verbunden sind. Dar\\xfcber hinaus konnte gezeigt werden, dass mit der\\nPr\\xe4sentation des konditionierten Stimulus eine massive neuronale Aktivit\\xe4t im Locus\\ncoeruleus ausgel\\xf6st wird. Dieses Kerngebiet ist seit Jahren ohne Zweifel f\\xfcr die Ausbildung\\nder meisten k\\xf6rperlichen Entzugssymptome w\\xe4hrend eines Opiatentzugs verantwortlich\\n(Aghajanian, 1978; Maldonado et al., 1992b). Gerade in den letzten Jahren kommt dem\\nkonditionierten Entzug die Aufmerksamkeit zu, die ihm m\\xf6glicherweise in seiner Bedeutung\\nim R\\xfcckfallverhalten zusteht. Neueste Studien (Schulteis et al., 2000) zeigen deutlich, dass\\nkonditionierte Entzugserscheinungen mit dem Kerngebiet assoziiert werden, die f\\xfcr die\\nhedonistische Beurteilung eines Ereignisses ausschlaggebend sind. Obwohl in fr\\xfchen Studien\\ndurch Befragung von Abh\\xe4ngigen kein Einfluss konditionierter Entzugserscheinungen auf\\nR\\xfcckfallverhalten nachgewiesen werden konnte (McAuliffe, 1982), stellt sich\\nberechtigterweise die Frage, ob von Drogens\\xfcchtigen bzw. entzogenen Patienten der\\nReflexbogen, der zum R\\xfcckfall f\\xfchrte, \\xfcberhaupt als solcher erkannt und benannt werden\\nkann. Gerade das stereotype Ablaufen suchtrelevanter Konditionierungs- und\\nSensibilisierungsmechanismen entzieht sich oftmals dem Bewusstsein des Suchtkranken\\n(Zieglg\\xe4nsberger und Spanagel, 1999). In fr\\xfchen tierexperimentellen Studien waren Versuchstiere nicht in der Lage, die im konditionierten Entzug auftretenden\\nEntzugserscheinungen durch Trinken von opioidagonistischer L\\xf6sung zu lindern (Stewart et\\nal., 1984). Dabei stellt gerade die orale Verabreichung von z.B. Morphin auf Grund der\\nschlechten Resorption aus dem Gastrointestinaltrakt eine schlechte Art der Verabreichung von\\nOpiaten dar (Gellert und Holtzman, 1978). In einem konditionierten Entzugsgeschehen\\nkommt daher der schnellen intraven\\xf6sen Verabreichung von Opiaten tragende Bedeutung zu.\\nOpiatsucht stellt sich als komplexes Krankheitsbild dar, zumal die Patienten nicht nur von\\neinem Opiat abh\\xe4ngig sind, sondern meist Polytoxikomanen sind. Dennoch erscheint gerade\\nder konditionierte Entzug als ein wichtiges Element im R\\xfcckfallverhalten, m\\xf6glicherweise\\neben nur im Zusammenspiel anderer suchtrelevanter Parameter. Aufschluss inwieweit hier\\nkonditionierte Entzugs-erscheinungen eine tragende Rolle spielen, k\\xf6nnte ein Tierexperiment\\ndarstellen, in dem auf Entzug konditionierte Versuchstiere gelernt haben, sich \\xfcber eine\\nintracerebroventriculare Injektion Morphin zuzuf\\xfchren. Nur ein schneller, unmittelbarer\\nWirkungseintritt von Morphin greift in den Reflexbogen ein, der von den meisten Patienten\\nim R\\xfcckfall nicht kognitiv wahrgenommen wird.\\nKein anderer Stoff begleitet die Menschheit so lange wie der Saft der Kapseln des\\nSchlafmohns und bei keinem anderen Stoff liegen Wohl und Wehe so eng beisammen. Opium\\nund seine in der modernen Medizin angewandten Derivate stellen nach wie vor die\\npotentesten Schmerzmittel dar. Bis heute gibt es keine vergleichbaren Analgetika. Die\\nerstaunliche Kongruenz zwischen speziellen Rezeptoren im Gehirn und einem sekund\\xe4ren\\nPflanzenalkaloid bringt die moderne Opioidpharmakologie immer wieder in den Konflikt\\nzwischen maximaler Schmerzlinderung und den fatalen Folgen dieser Therapie, die in\\nToleranz, Abh\\xe4ngigkeit und Entzug m\\xfcnden kann. Dennoch bem\\xfchten sich seit\\nMenschengedenken \\xc4rzte und Wissenschaftler um die Vorteile dieses Prinzips und so sollte\\nes eines Tages gelingen, die schmerzlindernde Komponente der Opiate von den negativen\\nAuswirkungen abzukoppeln.'