Vergleichend feinstrukturelle Untersuchungen an der Netzhaut der Europaischen Sardelle Engraulis encrasicolus L. (Engraulididae) und den Retinae anderer Clupeiformes

Published: July 26, 2000, 11 a.m.

b'Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Netzhautfeinstruktur der Europ\\xe4ischen\\nSardelle Engraulis encrasicolus und verwandter Heringsfische. Detaillierte licht- und\\nelektronenmikroskopische Strukturanalysen dienen als Grundlage f\\xfcr eine funktionsmorphologische\\nDiskussion - daneben werden auch Fragen zur Evolution und \\xd6kophysiologie\\nder Sardellenretinae, sowie zur Taxonomie der Engraulididae behandelt.\\nDie Europ\\xe4ische Sardelle besitzt zapfenf\\xf6rmige Photorezeptoren mit einer stark vom\\nGrundplan abweichenden Feinstruktur. Lange und kurze Zapfen sind abwechselnd\\nund h\\xf6chst regelm\\xe4\\xdfig in langen Zapfenreihen angeordnet. Diese sog. \\u201ePolycones\\u201c\\nverlaufen innerhalb des Augenbechers in konzentrischen Ringen um den \\xe4ltesten und\\ndamit am weitesten zentral gelegenen Teil der optischen Furche, wechseln sich mit\\nmehr oder weniger breiten Bahnen normal gestalteter St\\xe4bchen ab und sind in\\ncharakteristischer Weise mit keilf\\xf6rmigen Ausl\\xe4ufern des Pigmentepithels (PE)\\nverzahnt. Die langen Zapfen reichen weit zwischen die PE-Keile, die Au\\xdfenglieder\\nder benachbarten kurzen Zapfen werden dagegen von den Spitzen der Keile partiell\\nin zwei Lappen gespalten. Das distale Membran-faltensystem der Sardellenzapfen ist\\nradial ausgerichtet, d.h. gegen\\xfcber dem \\u201eNormalfall\\u201c um 90\\xb0 gekippt. Damit werden\\ndie Zellen strukturbedingt selektiv empfindlich f\\xfcr die Schwingungsrichtung des axial\\neinfallenden Lichtes. Die Membranfalten der beiden Zapfentypen stehen zudem\\nsenkrecht zueinander - eine funktionelle Kopplung erg\\xe4be einen 2-Kanal-Analysator\\nf\\xfcr linear polarisiertes Licht. Die PE-Zellen bilden ein eigent\\xfcmliches Tapetum\\nlucidum: H\\xf6chst regelm\\xe4\\xdfig ausgerichtete Guaninreflektoren formen einen\\nInterferenz-Keilspiegel in unmittelbarer N\\xe4he der Zapfenau\\xdfenglieder.\\nDie Kartierung der Photorezeptoren innerhalb einer Retina zeigt ein Gebiet erh\\xf6hter\\nZapfendichte im ventro-temporalen Quadranten - eine sog. \\u201eArea temporalis\\u201c - das\\neine maximale Sehsch\\xe4rfe im vorderen oberen Sehfeld garantiert. In diesem Bereich\\nbefinden sich auch besonders pr\\xe4zise gestaltete Polycone-Zapfen, die die\\nmodalit\\xe4tsspezifische Struktur f\\xfcr die Perzeption scharfer Polarisationskontrastbilder\\ndarstellen k\\xf6nnen. Die Proportionen der Zapfenabschnitte variieren zwischen\\nArea und Fundus, ebenso die Guaninausstattung der PE-Zellen - zudem tritt ein\\nbisher unbekanntes Muster von Dreifachzapfen am dorsalen und ventralen\\nRetinarand auf. Die \\xdcbergangsregion zu den Polycones und auch der Retinarand\\ngeben Hinweise auf die Morphogenese der Vielfachzapfenreihen und der senkrecht\\nstehenden Membranfalten, vor allem bez\\xfcglich der langen Zapfen.\\nDas regelm\\xe4\\xdfige Muster der skleralen Abschnitte der Photorezeptoren von E.\\nencrasicolus setzt sich auch vitreal der \\xe4u\\xdferen Grenzmembran fort. Die synaptischen\\nZapfenf\\xfc\\xdfe bilden in der \\xe4u\\xdferen plexiformen Schicht eine Art \\u201eSchachbrettmuster\\u201c,\\nwobei die Terminalen eines Zapfentyps benachbarter Reihen \\xfcber sog.\\n\\u201eTelodendriten\\u201c miteinander verbunden sind. Sie unterscheiden sich bei den langen\\nund kurzen Zapfen in charakteristischen Strukturmerkmalen: die F\\xfc\\xdfchen der kurzen\\nZapfen enden weiter vitreal als die der langen. Letztere haben zwei Gruppen von\\n\\u201esynaptic ribbons\\u201c, w\\xe4hrend bei den kurzen Zapfen keine eindeutige Gliederung in\\nSynapsenfelder festzustellen ist.\\nAufgrund der radialen Lage und der Zellmuster k\\xf6nnen drei Typen von\\nHorizontalzellen unterschieden werden. F\\xfcr eine H1-Zelle wurde der Versuch\\nunternommen, ihre Verschaltung mit den Zapfen darzustellen: diese Zelle ist\\nspezifisch mit Pedicles der langen Zapfen verbunden und gibt damit einen Hinweis\\nauf eine Trennung von e-Vektor-spezifischen Informationskan\\xe4len. Ferner ist bei der\\nSardelle ein Bipolarzell-Typ mit einem Dendritenfeld ungew\\xf6hnlicher Geometrie zu\\nfinden. Es folgt offensichtlich dem Reihenmuster der Photorezeptoren.\\nNeben der Europ\\xe4ischen Sardelle wurde auch von anderen Vertretern der\\nHeringsartigen die Struktur und das Muster der Photorezeptoren und der\\nPigmentepithelzellen bestimmt. Die Ergebnisse liefern Daten, die Aussagen \\xfcber die\\nVerbreitung und Evolutio n der aberranten Polycone-Strukturen innerhalb der\\nEngraulididae gestatten - dar\\xfcberhinaus geben sie Anla\\xdf, eine neue Feingliederung der\\nEngraulididae vorzuschlagen. Neben wenigen \\u201eAusrei\\xdfern\\u201c lassen sich zwei Fischgruppen\\nunterscheiden: eine mit Polycones in Verzahnung mit dem PE und eine mit\\nguaninhaltigen PE-Vorh\\xe4ngen zwischen den Zapfenreihen und ohne Guaninpl\\xe4ttchen.\\nDie erste Gruppe wird als Kerngruppe der Engraulidinae verstanden, die zweite d\\xfcrfte\\nn\\xe4her mit den Coiliinae verwandt sein.'