Genetische Determinanten von kompartimenteller Inkompatibilitat in Genom/Plastom-Artbastarden

Published: Oct. 15, 2002, 11 a.m.

b'Die Pflanzenzelle enth\\xe4lt ein integriertes, kompartimentiertes genetisches System, mit den Subgenomen im Zellkern, in den Mitochondrien und den Plastiden, das aus Endocytobioseereignissen mit prokaryotischen Zellen hervorgegangen ist. Im Laufe der Evolution der eukaryotischen Zelle wurden die genetischen Potentiale der symbiontischen Partnerzellen vermischt. Dabei ging ein Teil genetischer Information verloren, ein anderer wurde aus den Organellen in den Kern transferiert, und au\\xdferdem wurde neue Information hinzugewonnen. Dies ging einher mit der Einbettung von Mitochondrien und Plastiden in die Signaltransduktionsketten und Regelkreise der Wirtszelle. Heute interagieren die Subgenome auf vielen Ebenen; ihre Expression wird in der Pflanzenzelle koordiniert in Raum, Zeit und Quantit\\xe4t reguliert. Die Interdependenz der Subgenome hatte ihre Koevolution zur Folge, so da\\xdf die genetischen Kompartimente der Zelle nicht mehr ohne weiteres zwischen Arten ausgetauscht werden k\\xf6nnen. Kombinationen von artfremden Organellen k\\xf6nnen zu Entwicklungsst\\xf6rungen f\\xfchren, wie sie sowohl von "kompartimentellen" (Genom/Plastom-) Hybriden als auch von Cybriden beschrieben worden sind (Bastardbleichheit, Bastardscheckung).\\nIn dieser Arbeit wurden reziproke Cybriden der Arten Atropa belladonna und Nicotiana tabacum auf molekulare Determinanten von Genom/Plastom-Inkompatibilit\\xe4t untersucht. Die Cybriden sind je nach Kombination elterlicher Organellen entweder albinotisch [Kern von Atropa, Plastide vom Tabak; Ab(Nt)-Cybride] oder gleichen dem Wildtyp [Kern von Tabak; Plastide von Atropa, Nt(Ab)-Cybride]. \\n1. Als Voraussetzung f\\xfcr einen Sequenzvergleich der plastid\\xe4ren Chromosomen beider Solanaceen-Arten wurde das Plastidenchromosom von Atropa komplett sequenziert. Der Vergleich der (Atropa)-Sequenz mit der bekannten des Chromosoms aus dem Tabak und anschlie\\xdfende molekularbiologische Untersuchungen f\\xfchrten zur Identifizierung von zwei potenziellen Ursachen f\\xfcr die Defekte im albinotischen Material.\\n2. Die Ab(Nt)-Cybride zeigt eine gest\\xf6rte Akkumulation von Transkripten f\\xfcr eine Reihe von Operonen. Das resultierende aberrante Transkriptmuster \\xe4hnelte verbl\\xfcffend dem von Tabakpflanzen mit Defizienz der plastidenkodierten RNA-Polymerase (PEP). M\\xf6glicherweise ist in der Cybride die Interaktion des PEP-Apoenzyms mit einem oder mehreren der kernkodierten Sigmafaktoren gest\\xf6rt. Tats\\xe4chlich unterscheiden sich die f\\xfcr eine Untereinheit der PEP kodierenden (plastid\\xe4ren) rpoC2-Gene von Tabak und Atropa durch eine Insertion/Deletion an einer Stelle im Molek\\xfcl, die mit Sigmafaktoren interagieren kann. Transformation der Plastiden der Ab(Nt)-Cybride mit dem rpoC2-Gen aus Tabak f\\xfchrte in der Tat zu einer partiellen Reversion zum WT und macht Transkriptionsdefekte als eines von offenbar mehreren Determinanten f\\xfcr die Genom/Plastom-Inkompatibilit\\xe4t in Artbastarden wahrscheinlich.\\n3. Neben der Transkription ist im albinotischen Material auch die RNA-Edierung gest\\xf6rt. Die plastid\\xe4ren Editotypen beider Solanaceen \\xe4hneln einander, doch gibt es f\\xfcr beide Arten spezifische Edierungsstellen. Von den f\\xfcnf tabakspezifischen Stellen in der Ab(Nt)-Cybride werden vier nicht ediert. Offensichtlich besitzt der Atropa-Kern nicht die notwendigen Kernfaktoren zur Prozessierung dieser Stellen. Da Edierung generell hochkonservierte und funktionell wichtige Aminos\\xe4urepositionen betrifft, tr\\xe4gt der Ausfall der Edierung sehr wahrscheinlich ebenfalls zum beobachteten Defekt in der Plastidenentwicklung bei. \\n4. Auf der anderen Seite werden die Stellen der gr\\xfcnen Nt(Ab)-Cybride, bemerkenswerterweise auch Atropa-spezifische, heterolog vom Tabakkern ediert. Der erstmalige Befund von heterologem Edieren stellte sich als Folge der Allotetraploidie von Tabak heraus. Untersuchungen dieser Stellen in den diploiden Eltern des allotetraploiden Tabaks, N. tomentosiformis als Nachkomme des Vaters und N. sylvestris als Nachkomme der Mutter, zeigten, da\\xdf der Tabak die F\\xe4higkeit zur heterologen Edierung von Atropa-spezifischen Stellen wohl vom Vater ererbt hat. Dies wurde auch durch einen transplastomischen Ansatz best\\xe4tigt. In diesen Experimenten wurde die intronnahe ndhA-Edierungsstelle aus Spinat, die es auch in N. tomentosiformis gibt, nicht aber in N. sylvestris, in Tabak \\xfcber ballistische Transformation eingebracht. \\n5. \\xdcber Konstruktionen, die entweder der gesplei\\xdfen oder ungesplei\\xdften ndhA-mRNA inklusive der Edierungsstelle entsprachen, konnte gezeigt werden, da\\xdf die Edierung an dieser Stelle immer erst nach dem Splei\\xdfen erfolgt. Dies ist der erste Nachweis einer strikten kinetischen Verkn\\xfcpfung von RNA-Edierung mit einem anderen mRNA-Reifungsschritt in Plastiden. Er zeigt an, da\\xdf das ndhA-Intron phylogenetisch \\xe4lter als die ndhA-Edierungsstelle ist. Mechanistische Implikationen dieses Befundes werden diskutiert.'