Die Testaepidermis der Lactuceae (Asteraceae) ihre Diversitat und systematische Bedeutung

Published: June 4, 2002, 11 a.m.

b'Der Grundgedanke der zur vorliegenden Untersuchung f\\xfchrte, bestand darin, die\\nStrukturen in den W\\xe4nden der Testaepidermiszellen repr\\xe4sentativ f\\xfcr die ganze\\nTribus Lactuceae mit einem geeigneten, neu zu entwerfenden Pr\\xe4parationsverfahren\\nzu untersuchen und sie damit der Systematik zur Verf\\xfcgung zu stellen. Wichtig ist in\\ndiesem Zusammenhang, nicht nur das Vorhandensein diverser Strukturen in der\\nTestaepidermis zu erkennen, sondern auch ihre Stabilit\\xe4t zu erforschen. Wichtig war\\nauch zu kl\\xe4ren, ob die oft sehr unterschiedlichen Strukturen durch \\xdcbergangsformen\\nmiteinander verbunden werden k\\xf6nnen \\u2013 dies war nicht immer m\\xf6glich.\\nDa der Umfang der Tribus sehr gro\\xdf ist, war es n\\xf6tig, sich nach einem ersten\\n\\xdcberblick auf einige interessante Bereiche zu konzentrieren, die dann besonders\\nintensiv untersucht wurden. Andererseits wurden bei einigen gr\\xf6\\xdferen Gattungen oft\\nnur einige wenige Arten untersucht, da das Umfeld der Gattung keine neuen\\nErkenntnisse erwarten lie\\xdf.\\nEs wurden \\xfcber 300 Arten von ca. 90 (von insgesamt ca. 100) Gattungen der\\nLactuceae und weitere 18 Arten anderer Tribus (Liabeae, Arctoteae, Vernonieae)\\n\\xfcberpr\\xfcft, wobei von vielen Arten mehr als ein Beleg f\\xfcr die Pr\\xe4paration\\nherangezogen wurde, so dass insgesamt ca. 400 Belege erfolgreich ausgewertet\\nwerden konnten.\\nDie gewonnenen Ergebnisse sollen zwar in Bezug zu anderen Arbeiten gesehen\\nwerden, jedoch nicht an bisherige Vorstellungen angepasst werden, auch wenn\\ndadurch einige Ungereimtheiten bestehen bleiben m\\xfcssen.\\nDie Ergebnisse sollen, so wie sie sich aus der Zielsetzung der Arbeit ergeben haben,\\nin erster Linie zur Diskussion anregen. Es wird nicht angestrebt, mit der\\nUntersuchung dieses Merkmalskomplexes die ganze Systematik der Lactuceae zu\\nrevolutionieren. Da aber der hohe systematische Wert dieser Strukturen in der\\nTestaepidermis durch diese Untersuchungen bewiesen wurde, sollten diese Daten\\ndoch bei zuk\\xfcnftigen Revisionen eine nicht zu vernachl\\xe4ssigende Rolle spielen.\\nF\\xfcr eine \\xdcbersicht der Verteilung der unterschiedlichen Strukturen auf die Tribus wurden schematisch die bei den untersuchten Gattungen gefundenen Strukturen auf\\ndas Tribuskonzept von BREMER (1994) aufgetragen.\\nEs konnte gezeigt werden, dass die Strukturen in der Testaepidermis im Allgemeinen\\n\\xe4u\\xdferst stabil sind, da sie anscheinend durch die Evolution nur wenig beeinflusst\\nwerden und damit einen hohen systematischen Wert besitzen. Es bereitet au\\xdferdem\\nkeine Probleme, auch sehr altes Herbarmaterial zu untersuchen, wodurch der f\\xfcr\\ndiese Art der Untersuchung nutzbare Bestand eines Herbars sehr hoch ist.\\nInsgesamt konnten vier Hauptstrukturtypen der Testaepidermiszellw\\xe4nde\\nunterschieden werden (unstrukturierter, fenestrater, retikulater und helicoider Typ)\\ndenen man aber eine gewisse nat\\xfcrliche Variationsbreite zugestehen muss.\\nDaneben gibt es einige Strukturtypen, die oft nur f\\xfcr eine einzige Gattung\\ncharakteristisch sind (Cichorium \\u2013, Taraxacum \\u2013, Lapsanastrum \\u2013, Krigia wrightii \\u2013\\nund Pyrrhopappus \\u2013 Typ).\\nBis auf zwei Ausnahmen, Cicerbita alpina (L.) Wallr. und Krigia biflora (Walter)\\nS.F.Blake, konnten keine Variationen der Zellwandstrukturen innerhalb einer Art,\\ngeschweige denn innerhalb eines Individuums, festgestellt werden. Die Stabilit\\xe4t der\\nStrukturen \\xfcber die Gattungsebene hinaus ist bewiesen worden; manchmal sind\\nbestimmte Strukturen f\\xfcr ganze Subtribus charakteristisch. So scheinen die\\nScorzonerinae auch nach dieser Untersuchung monophyletisch zu sein, da keine\\nandere Gattung innerhalb der Tribus au\\xdfer der monotypischen Gattung Rothmaleria\\nden helicoiden Typ zeigt. Anderseits scheinen jedoch die Hypochaeridinae heterogen\\nzusammengesetzt zu sein, weil im Wesentlichen ein Teil dem fenestraten Typ, ein\\nanderer Teil dem davon sehr gut zu unterscheidenden retikulaten Typ zuzuordnen\\nist.\\nDes Weiteren konnte festgestellt werden, dass man im Allgemeinen relativ wenig\\nUnterschiede innerhalb und zwischen den Subtribus Crepidinae, Hieraciinae,\\nSonchinae und Lactucinae finden kann, obwohl es in diesen Subtribus auch einige\\nGattungen gibt, welche nicht in das \\xfcbliche Schema der sonst auftretenden\\nStrukturen passen.\\nWie \\xdcberg\\xe4nge zwischen den verschiedenen Strukturen zu verstehen sind, konnte\\ngut an der Gattung Scorzonera gezeigt werden.\\nJedoch lie\\xdfen sich nicht, wie erwartet, alle Probleme l\\xf6sen: Es gibt viele Gattungen,\\nbei welchen man aussagekr\\xe4ftige Ergebnisse bekommen kann \\u2013 bei vielen jedoch\\nmuss man sich damit abfinden, dass auch mit diesen Untersuchungen manche\\nProbleme nicht zu l\\xf6sen sind. Es m\\xfcssen auch gewisse Variationsbreiten der\\nMerkmale akzeptiert werden. So sind zum Beispiel Unterschiede zwischen nicht oder nur leicht strukturierten Zellw\\xe4nden nicht sehr gewichtig; ebenso k\\xf6nnen die\\nverschiedenen Varianten des fenestraten Typs nicht unbedingt als trennendes\\nMerkmal verwendet werden, obwohl sie gewisse Pr\\xe4ferenzen f\\xfcr bestimmte\\nSubtribus zu haben scheinen.\\nEinige Gattungen sind durch ihre Strukturen von den anderen Gattungen deutlich\\nisoliert: dazu z\\xe4hlen insbesondere Cichorium, Taraxacum und Lapsanastrum\\n[zusammen mit Youngia japonica (L.) DC.]. Auch die drei Gattungen Krigia\\n[Ausnahme: K. virginica (L.) Willd.], Pyrrhopappus und Phalacroseris kann man nicht\\nmit den restlichen Microseridinae verbinden. In einigen F\\xe4llen konnte aufgrund der\\nStrukturen eine Fehlplatzierung aufgedeckt werden: Rothmaleria hebt sich strukturell\\nvon den \\xfcbrigen Catananchinae ganz deutlich ab; m\\xf6glicherweise handelt es sich bei\\nden drei Gattungen der Catananchinae um Palaeoendemiten, die vermutlich nicht\\nn\\xe4her miteinander verwandt sind. Auch die Strukturen von Youngia japonica (L.) DC.\\nhaben mit den bei anderen Youngia\\u2013Arten gefundenen nichts gemein; die Strukturen\\nsind jedoch sehr mit denen der Gattung Lapsanastrum verwandt. Gezeigt werden\\nkonnte auch, dass die nun monotypische Gattung Lapsana mit ihren ehemaligen\\nostasiatischen Arten, der jetzigen Gattung Lapsanastrum, keine \\xc4hnlichkeiten in den\\nStrukturen der Testaepidermis hat. Somit konnte die Spaltung dieser Gattung\\ndeutlich bef\\xfcrwortet werden.\\nDie Gattung Taraxacum zeigt strukturell in all den untersuchten Arten dieselben\\nStrukturen, steht damit aber sehr isoliert innerhalb der Crepidinae da. Da es keine\\n\\xdcberg\\xe4nge zu anderen Gattungen der Crepidinae gibt, w\\xfcrde man klassischerweise\\ndie M\\xf6glichkeit in Betracht ziehen, dass es sich bei Taraxacum um eine\\nurspr\\xfcnglichere Gattung handeln k\\xf6nnte. Dies widerspricht jedoch einigen\\nmolekularbiologischen Untersuchungen, die die Gattung Taraxacum eher f\\xfcr einen\\njungen Zweig innerhalb der Lactuceae halten.\\nSehr schwierig zu deuten sind auch die Ergebnisse in der Gattung Krigia, welche\\ndort n\\xe4her diskutiert wurden. Nach den klassischen Methoden der Systematik w\\xfcrde\\nman nach der Untersuchung dieser Gattung eher ein hohes Alter einr\\xe4umen, jedoch\\nhalten molekularbiologische Analysen die Arten dieser Gattung eher f\\xfcr relativ jung.\\nDie gro\\xdfen genetischen Unterschiede zwischen den einzelnen Arten werden auf eine\\nstark erh\\xf6hte Mutationsrate in dieser Gattung zur\\xfcckgef\\xfchrt.\\nSomit bietet diese Arbeit auch die Chance, zusammen mit molekularbiologischen\\nUntersuchungen die M\\xf6glichkeiten von einerseits modernen morphologisch\\u2013\\nanatomischen und andererseits molekularbiologischen Methoden gegeneinander\\nabzuw\\xe4gen, um eventuell synergistische Effekte zu erzielen.\\nDie Stabilit\\xe4t dieser Strukturen stellt damit automatisch die Frage nach deren\\nUrsache. Haben diese Strukturen eine \\xf6kofunktionelle Bedeutung, z. B. einen\\nEinfluss auf das Keimverhalten der Ach\\xe4nen?\\nEs scheint zwar, dass Vertreter der Lactuceae, die in humideren Regionen\\nvorkommen (z. B. Hieracium, Sonchus) eine Tendenz zu wenig Struktur bzw. zum\\nfenestraten Typ haben, an aridere Bedingungen angepasste Vertreter (z. B.\\nCichorium, Reichardia, Scorzonerinae) eher zu st\\xe4rker strukturierten Typen haben;\\njedoch liegen quantitative Untersuchungen hier\\xfcber noch nicht vor.\\nEinige Gattungen (z. B. Scolymus, Cichorium, auch Rothmaleria) stehen beispielhaft\\nf\\xfcr das Ph\\xe4nomen, dass es einige wenige Taxa gibt, die anscheinend kaum\\nVerwandtschaft zu anderen Taxa der heutigen Lactuceae zeigen. Dies ist aber\\neigentlich typisch f\\xfcr ein nat\\xfcrlich gewachsenes System, in dem es immer nur ein\\nkleiner Teil neu entstandener Arten geschafft hat, sich weiter zu entfalten. Viele\\nZweige sind oft wieder ausgestorben; nur einige wenige urspr\\xfcngliche Arten haben\\nes geschafft [vielleicht auch aufgrund ihrer damaligen zuf\\xe4lligen Einnischung in\\n(damals) extreme, aber stabile Habitate (z. B. Trockengebiete)], sich bis in die\\nNeuzeit hin\\xfcberzuretten, hatten bisher aber scheinbar kein Potential zu st\\xe4rkerer\\nRadiation, vielleicht auch aufgrund der speziellen Einnischung. Es ist deshalb nicht\\nausgeschlossen, dass man es auch bei den Lactuceae mit einigen Palaeoendemiten\\nzu tun hat, die systematisch schwer einzuordnen sind.\\nIch begr\\xfc\\xdfe deshalb den Ansatz von BREMER (1994), gewisse Gattungen nicht auf\\nBiegen und Brechen in vorhandene Verwandtschaftskreise zu pressen. Erfreulich ist,\\ndass KAMARI & GREUTER (2000) trotz intensiver Untersuchung der neubeschriebenen\\nGattung Phitosia zu dem Schluss kommen, erst einmal von einer Einordnung in eine\\nSubtribus Abstand zu nehmen und weitere Untersuchungen abzuwarten.\\nAufgrund der strukturellen \\u201eAusrei\\xdfer\\u201c in einigen Subtribus sollte man auch das\\nbisherige Subtribuskonzept in einigen F\\xe4llen \\xfcberdenken.\\nInwieweit entspricht die aktuelle Gliederung der Tribus in Subtribus tats\\xe4chlich auch\\nden verwandtschaftlichen Verh\\xe4ltnissen? Wie auch einige anderen Gattungen mit\\nsehr charakteristischen, nur auf sie zutreffenden Strukturen gezeigt haben, k\\xf6nnten\\nbereits ausgestorbene \\u201emissing links\\u201c existiert haben. Denn nur selten kann man\\nBindeglieder finden, die zwischen den verschiedenen Strukturen vermitteln.\\nAndererseits k\\xf6nnten, wenn nur wenige Mutationsereignisse daf\\xfcr notwendig w\\xe4ren,\\nnat\\xfcrlich auch solche Struktur\\xe4nderungen schlagartig erfolgen.\\nDiese Arbeit soll mit den hier gewonnenen Ergebnissen Bewegung in etablierte\\nSystemvorstellungen bringen und dazu verleiten, mit anderen Methoden die hier\\naufgeworfenen Fragen zu beantworten und die hier vorgestellte Methode der\\nMerkmalsgewinnung in anderen Gruppen der Angiospermae zu versuchen.'