Wieso Gesundheitsämter die Einführung von Schnelltests kritisch sehen

Published: Feb. 23, 2021, 10:55 a.m.

Maik Riße sucht im September 2019 eine neue Herausforderung. "Corona habe ich damit allerdings nicht gemeint", sagt der 42-Jährige, der jetzt seit einem Jahr nichts anderes mehr als den Krisenmodus kennt. Riße ist Verfahrensbetreuer beim Gesundheitsamt des Landkreises Meißen. Im CoronaCast, dem Podcast zur Pandemie von Sächsische.de, spricht er über seinen Job und gibt Einblicke in die teils komplexen wie komplizierten Abläufe seiner Behörde. Man könnte Riße auch als Systemadministrator bezeichnen, doch seine Tätigkeit allein auf das Technische zu reduzieren, genügt nicht. Denn nebenher schult er auch neues Personal, konferiert mit anderen Ämtern, muss die Gesetze genau kennen und zusammen mit seinen Kollegen oft Überbringer schlechter Nachrichten sein. Denn wenn das Gesundheitsamt anruft, bedeutet das meist Quarantäne. Da sei manchmal auch Fingerspitzengefühl gefragt. Bis vor kurzem hat die Bundeswehr wie in allen 13 Gesundheitsämtern in Sachsen auch in Meißen unterstützt. "Auf diese Jungs und Mädels war zu einhundert Prozent Verlass", bedankt sich Riße bei den Soldaten. Allerdings: "Unsere Soldaten kamen aus Bayern. Wenn sie mit ihrem Dialekt dann auf unseren in Sachsen gestoßen sind, mussten sie schon erstmal den Leuten klarmachen, dass da nicht ‘Verstehen Sie Spaß’ anruft." Doch die Hilfskräfte hätten sich schnell gut eingefügt. Wie auch die abgestellten Kräfte anderer Behörden. Im Meißner Gesundheitsamt ist der Bedarf an Helfern mit Beginn der zweiten Welle im Oktober sprunghaft gestiegen, erinnert sich Riße zurück. Vor Corona hätten im Bereich Infektionsschutz dort vier Personen gearbeitet. "Jetzt im Winter waren es zeitweise über 370." Momentan befinden sich die Infektionszahlen in dem Landkreis wieder auf geringerem Niveau. Nach dem Abzug der Bundeswehr sind es jetzt noch rund 165 Mitarbeiter, die täglich, wie Riße es sagt, an der "Corona-Front" kämpften. Doch im Podcast-Gespräch wird schnell klar: Es gibt nicht nur diese eine Front. Es gebe etliche Baustellen, meint er. "Was auch klar ist, weil weder die Gesundheitsämter noch das Infektionsschutzgesetz auf so eine Pandemie vorbereitet oder ausgelegt waren." Und dennoch erscheint es verwunderlich, dass noch bis Ende 2020 Laborergebnisse von Coronatests mit einer 40 Jahre alten Technik an das Gesundheitsamt übermittelt worden sind: mit dem Faxgerät. "Zum Glück hat sich das geändert. Jetzt übermitteln die Labore ihre Daten elektronisch über die sogenannte Demis-Schnittstelle." Die Mitarbeiter im Gesundheitsamt müssen jetzt keine Faxe oder PDF-Dateien mehr abtippen. Die Gefahr, dass sich Zahlendreher einschleichen, sei damit verschwunden. Seither würde der Datenabgleich schneller gehen, weil nun ein einheitliches Verfahren die Grundlage sei. "Und jetzt kommen womöglich bald Schnelltests für jedermann. So gut das für den Einzelnen auch ist, so problematisch ist das für die Gesundheitsämter." Riße sieht mit den Schnelltests, deren Einführung zum 1. März vom Corona-Kabinett der Bundesregierung zunächst gebremst ist, den gerade erst errungenen Fortschritt schon wieder obsolet werden. Denn es sei nicht geregelt, in welcher Form Testergebnisse übermittelt werden. "Die einen schicken uns dann eine Excel-Tabelle, die anderen es irgendwie anders. Am Ende tippen wir wieder alles händisch ab." Außerdem sieht Riße noch einen anderen Nachteil: Während die Labore verpflichtet seien, positive Corona-Testergebnisse den Gesundheitsämtern mitzuteilen, gelte diese Verpflichtung für einen häuslichen Schnelltest nicht. Weitere Themen des Podcast-Gesprächs sind: Vergleich der Software-Lösungen SORMAS und Octoware Zuständigkeiten der Ämter und ihre Bindung an Landkreisgrenzen Der nur geringe Anteil der Gesundheitsämter an der Impfstrategie Die Speicherung empfindlicher Gesundheitsdaten im Zuge der Kontaktverfolgung Das Gespräch wurde über einen Videoanruf aufgezeichnet. Alle Beteiligten saßen weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.