Kritische Infrastruktur: Wie stark gefährdet Omikron Logistik und Lieferketten?

Published: Jan. 25, 2022, 10:55 a.m.

Damit Waren von einem Ort zum anderen kommen, also im Zweifel das Supermarktregal nicht leer bleibt, sind Menschen wie Andreas Hanitzsch täglich im Einsatz. Im CoronaCast bei Sächsische.de berichtet der Chef von rund 170 Berufskraftfahrern, wie sich die Corona-Pandemie bisher auf seine Branche ausgewirkt hat und wie ein Unternehmen von der Größe seiner Spedition überhaupt auf einen Personalengpass infolge eines möglichen Omikron-Ausbruchs reagieren kann. Die Spedition Hanitzsch, die ihren Standort in Kesselsdorf bei Dresden hat, zählt zu den größeren Logistikunternehmen in Sachsen. Europaweit sind Hanitzschs Fahrer unterwegs, transportieren Produktionsgüter oder beliefern Handelsriesen. Immer exakt auf Termin, um die meist eng getakteten Lieferketten aufrecht zu erhalten. Ein hoher Krankenstand unter seinen Angestellten oder generell in der Logistik-Branche hätte Folgen für die Allgemeinheit. Klar also, dass in Zeiten von Corona auch Berufskraftfahrer zur "kritischen Infrastruktur" zählen. Hanitzsch sei sich dieser Verantwortung bewusst. Die aktuell nur schwer kalkulierbare Corona-Lage bereite ihm daher Sorgen. "Es ist unheimlich kritisch, wie es sich jetzt gerade in anderen Bundesländern zuspitzt." Aus Gesprächen mit anderen Spediteuren wisse er, dass die Situation in Sachsen aber momentan noch entspannt sei. Das Problem sei, so Hanitzsch, dass man nicht genau wisse, wann und ob sich eine hohe Welle auch im Freistaat aufbaut. "Um es mal plastisch zu erklären: Ein durch Corona bedingter Ausfall ist mit dem zu Ferien- oder Urlaubszeiten vergleichbar." Jedoch könne man für diese Phasen ziemlich exakt auf personelle Engpässe reagieren. "In der Pandemie ist es jedoch so, dass keiner genau sagen kann, wann man Ersatzpersonal wirklich zum Einsatz bringen muss." Ewig vorhalten, so der Spediteur weiter, könne man eine solche auf Kompensation ausgerichtete Struktur aus wirtschaftlichen Gründen nicht. Was könnte der Transportbranche aber helfen, um im Zweifel flexibel auf Ausfälle reagieren zu können? "Es gibt derzeit keine übergeordnete Koordinationsstelle, wie zum Beispiel einen Verband oder irgendjemanden, der Transporte organisiert", sagt Hanitzsch. In vorangegangenen Corona-Wellen sei so etwas schon mal angesprochen worden. "Doch soweit ich weiß, ist diese Idee nie weiter getrieben worden." Andererseits schätzt Hanitzsch einen möglichen Engpass infolge einer Infektionswelle als eher kurzfristigen Engpass ein. In seiner Branche beobachtet er ein langfristig größeres und im negativen Sinne auch nachhaltigeres Problem: "Der Berufsstand des Kraftfahrers bedarf dringend einer Aufwertung." Schon vor der Pandemie sei das so gewesen, doch Corona habe die Situation noch einmal verschärft. Hanitzsch beklagt, dass die Kraftfahrer oft schlicht vergessen oder ausgegrenzt worden seien. "Wir haben erlebt, dass plötzlich Raststätten ihre Toilettenanlagen gesperrt haben. Berufskraftfahrer hatten unterwegs schlicht keine Möglichkeit mehr, ihre Notdurft zu entrichten oder duschen zu gehen." Auch direkt an den Laderampen habe sich teilweise das Verhältnis zwischen Fahrern und Kunden abgekühlt. "Unternehmen haben für sich selbst Schutzmaßnahmen getroffen, ohne daran zu denken, dass es natürlich noch außerhalb des eigenen Betriebs jemanden gibt, der sie beliefert", erklärt Hanitzsch und wünscht sich, dass sich dieser Zustand rasch nachhaltig bessert. Außerdem Themen des Gesprächs: - Wie regional unterschiedliche Corona-Regeln die logistische Planung erschwert - Welche Waren am ehesten von Engpässen betroffen sind - Warum sich Hamsterkäufe trotz temporärer Engpässe nicht lohnen Das Podcast-Gespräch wurde über einen Videoanruf aufgezeichnet. Alle am Gespräch beteiligten Personen saßen ausreichend weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.