Frigga Haug Wohin ging die Erbschaft aus der verschwundenen Frauenbewegung? Versuch einer Wiederaneignung in feministischer Perspektive

Published: Nov. 24, 2009, 4:35 p.m.

b'Die \\u201eGrand Dame\\u201c des marxistischen Feminismus zu Besuch in Marburg: Frigga Haug, eremitierte Professorin f\\xfcr Soziologie an der Hamburger Universit\\xe4t f\\xfcr Wirtschaft und Politik, er\\xf6rterte am Dienstagabend in der Philipps-Universit\\xe4t die Frage \\u201eWohin ging die Erbschaft der verschwundenen Frauenbewegung?\\u201c. Rund 200 Interessierte waren zu dem Vortrag der aktiven Feministin und Sozialistin Haug gekommen, der zugleich den Auftakt der Veranstaltungsreihe \\u201eGender Lectures\\u201c des Zentrums f\\xfcr Gender Studies und feministische Zukunftsforschung der Philipps-Universit\\xe4t bildete: Unter dem Titel \\u201eKritik \\u2013 Emanzipation \\u2013 Utopie\\u201c werden in diesem Rahmen im Laufe des Wintersemesters ausgewiesene Expertinnen zentrale Fragestellungen des Feminismus und der Gender Studies behandeln. Frigga Haug steht dabei f\\xfcr eine marxistische Str\\xf6mung des Feminismus; die 72j\\xe4hrige habe sich stets bem\\xfcht, \\u201eden Linken den Feminismus und den Feministinnen linke Perspektiven beizubringen\\u201c, wie es Ingrid Kurz-Scherf, Professorin am Institut f\\xfcr Politikwissenschaft und gesch\\xe4ftsf\\xfchrende Direktorin des Zentrums f\\xfcr Gender Studies und feministische Zukunftsforschung umschrieb.
\\nHaug lieferte in ihrem Vortrag eine Interpretation der Gr\\xfcnde f\\xfcr den Niedergang des Feminismus und der Frauenbewegung: Einerseits seien in der \\xf6ffentlichen Debatte Zerrbilder von den \\u201elustfeindlichen Lila-Latzhosentr\\xe4gerinnen\\u201c produziert worden. Feminismus sei f\\xfcr junge Frauen somit kein attraktives Projekt, eher \\u201eder Apfel, den man nicht essen sollte\\u201c. Andererseits hie\\xdfe es landl\\xe4ufig, Frauen h\\xe4tten angesichts ihrer starken Pr\\xe4senz in Talkshows etc. die Macht sowieso bereits \\xfcbernommen. Haug hielt diesen Zerrbildern Zahlen von UniFem entgegen, die eine andere Realit\\xe4t offenbaren: Das Verh\\xe4ltnis von M\\xe4nnern und Frauen an Regierungen fiele weltweit mit 4:1 entt\\xe4uschend aus, die Unterdr\\xfcckung der Frauen bestehe global weiter fort, etwa 2/3 aller Frauen w\\xfcrden weltweit im Laufe ihres Lebens Opfer von sexueller Gewalt. Trotz der globalen Missst\\xe4nde existiere aber keine schlagkr\\xe4ftige Frauenbewegung mit sozial-emanzipatorischen Anspr\\xfcchen mehr \\u2013 diese sei vielmehr beerbt worden durch nicht-linke Str\\xf6mungen wie dem \\u201ekonservativen Feminismus\\u201c einer Familienministerin v. d. Leyen oder der ehemaligen TV-Sprecherin Eva Hermann, sowie dem \\u201eElitefeminismus\\u201c, vertreten durch die Journalistin Thea Dorn, welcher Leistungsf\\xe4higkeit, Selbstbewusstsein und Individualisierung von Frauen beschw\\xf6re und somit dem Neoliberalismus in die H\\xe4nde gespielt habe. Die Frauenbewegung habe aber immer mehr gewollt als \\u201enur Gleichstellung\\u201c \\u2013 sie habe f\\xfcr eine andere Gesellschaft gek\\xe4mpft. Gegen das derzeitig vorherrschende kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, das nur Arbeit im Produktionssektor als solche anerkennt und den Bereich von Hausarbeit und Pflege abwertet, schlug Haug ein Alternativ-Modell vor, welches sie in ihrem Buch \\u201eDie 4-in-einem-Perspektive\\u201c ausbuchstabiert hat: Mit der Forderung \\u201eTeilzeitarbeit f\\xfcr alle\\u201c h\\xe4tten die Menschen gr\\xf6\\xdfere M\\xf6glichkeiten, sich der Haus- und Familienarbeit, kreativen und genie\\xdferischen T\\xe4tigkeiten, und nicht zuletzt politischen Aktivit\\xe4ten zu widmen.
\\nOrganisatorinnen und Beteiligte der Veranstaltung sind gespannt, ob und wie sich diese Vision der feministischen Marxistin Haug mit den Ideen der anderen Wissenschaftlerinnen zusammenbringen lassen, die zu den \\u201eGender Lectures\\u201c in diesem Wintersemester geladen sind: Am 12.01.2010 spricht Prof. Dr. Andrea Maihofer (Univerist\\xe4t Basel) \\xfcber \\u201ePrekarit\\xe4t feministischer Kritik\\u201c, am 26.01.2010 Prof. Dr. Cornelia Klinger (Universit\\xe4t T\\xfcbingen) \\xfcber \\u201eUnzeitgem\\xe4\\xdfe Betrachtungen \\xfcber die M\\xf6glichkeit einer Theorie des Patriarchats\\u201c und am 02.02.2010 Prof. Dr. Barbara Holland-Cunz (Universit\\xe4t Gie\\xdfen) \\xfcber \\u201eKrisen und Utopien\\u201c. Die Vortr\\xe4ge sind \\xf6ffentlich und finden um 20h c.t. im HS 207 im H\\xf6rsaalgeb\\xe4ude, Biegenstra\\xdfe 14, statt.
\\nText: Eva Behrendsen \\u2013 Oberhessische Presse, Freitag, 30. Oktober, S. 2
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