Sonnenblumenhaus

Published: July 5, 2020, 11 p.m.

b'http://www.architektur-podcast.de/wp-content/uploads/2014/07/Sonnenblumenhaus.mp3\\nAudio-Podcast: 06:38 min\\n\\n\\n\\n\\xa0Kennen Sie\\u2026 das Sonnenblumenhaus?\\nSeit Anfang 2011 bleiben in der Nagelstra\\xdfe immer wieder Menschen stehen und beugen sich nach hinten, um das Haus mit dem hohen Giebel gut und vor allem ganz in den Blick zu bekommen. Das schmale Jugendstilhaus mit dem frischen farbenfrohen Anstrich und der riesigen Sonnenblume ist neu erbl\\xfcht. Wo einst das \\u201cUnausprechliche\\u201d feilgeboten wurde, befindet sich heute die Genussgesellschaft.\\n\\nDer Jugendstil hat in Trier nicht viele architektonische Spuren hinterlassen. Noch weniger ist er in der Moselstadt als eine Baustr\\xf6mung bekannt, die Farbe als wesentliches Gestaltungselement nutzt. Die wenigen Fassaden der Wohnh\\xe4user aus der Zeit des fr\\xfchen 20. Jahrhunderts mit Jugendstildetails sind monochrom oder farblich schlicht gehalten und auch in dieser Form renoviert worden. Mut zur Farbe hingegen hat der Eigent\\xfcmer der Nagelstra\\xdfe 31 bewiesen.\\n\\nDas dreigeschossige Haus wurde 1905 von dem Architekten H. Meppert entworfen und vom Bauunternehmer Stefan Weber & S\\xf6hne errichtet. Von Beginn an ist im Erdgeschoss ein Ladenlokal geplant gewesen. In den beiden oberen Etagen befinden sich Wohnr\\xe4ume. Zwischen den sp\\xe4thistorischen Bauten muss das Haus vor mehr als 100 Jahren \\xe4hnlich viel Aufmerksamkeit erfahren haben, wie nach der Renovierung. Hochgestreckt \\xfcberragt es mit seinem Zwerchhausgiebel die Nachbarh\\xe4user. Das dominierende Element ist die darauf aufgebrachte Sonnenblume mit ihren f\\xfcnf Bl\\xfcten. Ganze drei Meter hoch und zweieinhalb Meter breit ist das florale Motiv des Giebels. Sonnengelb sind die Bl\\xfctenbl\\xe4tter der zentralen, ganz ge\\xf6ffneten Bl\\xfcte und der flankierenden, teilweise noch geschlossenen kleineren Bl\\xfcten am Hauptstiel. Die Pflanzenbl\\xe4tter sind in einem nat\\xfcrlichen gedeckten Gr\\xfcn gehalten und auch die Kerne haben ihre nat\\xfcrliche Farbe, sind also sehr dunkel.\\n\\nSieben Quadratmeter Sonnenblume und Kastanienbl\\xe4tter, die so gro\\xdf sind wie Backbleche: Die Stuckateure haben an der Fassade 1905 alles in Handarbeit modelliert und einzigartige Objekte geschaffen. \\xdcblich war es bei Putzfassaden des Jugendstils, fertige Teile anzukleben. Die heutige Farbfassung entspricht der Originalen, welche die letzten Jahrzehnte vor der grundlegenden Renovierung fast monochrom \\xfcbermalt war.\\n\\nGerade die Architekten der neuen Bewegung um 1900 hatten es sich zur Aufgabe gemacht, abseits des Historismus Formen zu entwickeln, die sowohl einen neuen Stil bilden als auch im Kunsthandwerk zum Design f\\xfcr alle Schichten werden sollten. Dass dies weder im \\u201cArts and Craft Movement\\u201d im englischsprachigen Raum noch in der Kunstgewerbebewegung in Deutschland funktionierte, lag sicher nicht nur an den gehobenen Preisen und der damit verbundenen Exklusivit\\xe4t der Objekte. Die Bauherren mussten das Neue, Innovative und Moderne auch wollen.\\n\\nGenau diese Kombination ist der Grundgedanke der Renovierung des erst seit 2009 unter Denkmalschutz stehenden Geb\\xe4udes in der Nagelstra\\xdfe, die ein Jahr sp\\xe4ter startete. Der in das Haus verliebte Eigent\\xfcmer stellt so viel Authentizit\\xe4t wieder her wie m\\xf6glich, m\\xf6chte darunter aber eine zeitgem\\xe4\\xdfe Nutzung nicht leiden lassen.\\n\\nWo bis Mitte 2008 noch BHs, W\\xe4sche und Str\\xfcmpfe von Miederwaren Fey auslagen, ist nun ein komplett neuer Eingangsbereich entstanden, der die zentral aufgebaute dreigliedrige Fassade nach unten hin symmetrisch weiterf\\xfchrt. Schon zur Bauzeit war das Erdgeschoss dreigeteilt. In der Mitte befand sich damals das Schaufenster, links der Eingang in die Privatwohnungen der Obergeschosse und rechts davon der Eingang in das Ladenlokal. Die erste Eigent\\xfcmerin, die aus Frankreich stammende Baronesse Elisabeth du Sartz de Vigneulle, fertigte und verkaufte hier in ihrem eigenen Atelier \\u2013 wie ihre Nachfolgerin \\u2013 \\u201cdas Unaussprechliche\\u201d, wie man damals W\\xe4sche, Strumpfhalter oder Kn\\xf6pfe f\\xfcr die untersten Schichten der \\u201cfeinen Damengarderobe\\u201d nannte.'