Der Norden Eurasiens besteht aus einer Vielzahl kontinentaler Bl\xf6cke (Baltika, Europa, Sibirien, Kasachstan, Turan und Tarim), die w\xe4hrend des Karbons und Perms kollidierten. Der pal\xe4ozoische Kontinent Kasachstan befindet sich im Zentrum dieses Agglomerats. Erkenntnisse zur tektonischen Entwicklung dieses Gebiets sind von gro\xdfer Bedeutung f\xfcr die Interpretation der geologischen Geschichte Eurasiens. \nBei der Interpretation der pal\xe4ozoischen Geschichte Kasachstans treten jedoch Komplikationen auf und regionale geodynamische Modelle stehen oft schon bei grundlegenden Annahmen im Widerspruch zueinander [Zaitsev, 1984; Zonenshain, et al., 1990; Mossakovskiy et al. 1993; Seng\xf6r et al. 1993]. Prinzipielle Streitpunkte treten vor allem bei folgenden Punkten auf: \n(a) Der Eingrenzung und Identifikation eigenst\xe4ndiger Terranes, die heute in Kasachstan integriert sind; (b) Der Rekonstruktion von Driftbewegungen der einzelnen Terranes, bzw. des gesamten kasachischen Kontinents; (c) der nach der prim\xe4ren Geometrie des pal\xe4ozoischen gefalteten G\xfcrtels, der heute als riesige gebogene Struktur (Orokline) die Tektonik Kasachstans dominiert. \nEine Kl\xe4rung existierender Ungereimtheiten ist haupts\xe4chlich durch die geringe Anzahl qualitativ hochwertiger pal\xe4omagnetischer Daten aus Kasachstan erschwert. \nEntsprechend wurden pal\xe4omagnetische Untersuchungen, basierend auf oben genannten offenen Fragen, in S\xfcdkasachstan durchgef\xfchrt. Gesteine des Unteren Ordoviziums bis Karbons mit ausgezeichneten Faltenstrukturen und guter biostratigraphischer Alterskontrolle wurden beprobt. Insgesamt 16 Lokalit\xe4ten (187 Aufschl\xfcsse. 1100 Proben) unterschiedlichen Alters und Lithologie wurden untersucht. Magnetische Komponenten, die vor der Faltung erworben wurden, wurden im unteren Ordovizium (unteres Arenigian), Silur, unteren bis mittleren Devon und im unteren Karbon nachgewiesen. \nDie pal\xe4omagnetische Daten f\xfcr Redbeds des unteren Arenigian (D= 9.2\xb0, I=-16.9\xb0, k=26.9, a95=15.0\xb0) sind erste und bisher einzige Richtungen, die \xfcberhaupt f\xfcr die Zeit, als die allochthonen Terranes noch getrennt voneinander existierten, ermittelt wurden. \nRichtungen des \u201eSouth-Chu-Yili\u201c Gebirges (Silur bis unteres Devon, D = 346.9\xb0, I=23.8\xb0) zeigen n\xf6rdliche Deklinationen und positive Inklinationen. Daraus resultiert bei angenommener normaler Polarit\xe4t eine n\xf6rdliche Pal\xe4obreite von etwa 12.4\xb0 \xb1 7.7\xb0. \nDas erstaunlichste Ergebnis dieser Studie liefert die Koktas Formation (unteres Devon, D= 357.3\xb0, I=+75.8\xb0), bei welcher die pal\xe4omagnetischen Richtungen signifikant von den Referenzrichtungen f\xfcr Baltika und Sibirien abweichen. Die ermittelte n\xf6rdliche Pal\xe4obreite von 64\xb0 \xfcbersteigt alle f\xfcr das Pal\xe4ozoikum erwarteten Werte. \nDie Remanenzkomponente aus Redbeds des Kendyktas R\xfcckens (oberes Devon \u2013 unteres Karbon, D=069.5\xb0, I=+43.7\xb0, k=26.7, a95=9.5\xb0) resultiert in einer Pal\xe4obreite von etwa 21.8\xb0 \xb1 5.9\xb0 N. \nDie Daten dieser Studie sowie Ver\xf6ffentlichungen vergangener Jahre lassen keine R\xfcckschl\xfcsse auf bedeutende Unterschiede bei den Pal\xe4obreiten Nord- und S\xfcdkasachstans seit dem mittleren Ordovizium zu. Allerdings weisen die Mehrzahl der pal\xe4omagnetischen Daten darauf hin, dass sowohl S\xfcd- als auch Nordkasachstan w\xe4hrend des Pal\xe4ozoikums wahrscheinlich etwas weiter im Norden, bzw. etwas weiter im S\xfcden positioniert waren als erwartungsgem\xe4\xdf als Teil Baltikas, bzw. Sibiriens. W\xe4hrend des Ordoviziums bis Perms driftete Kasachstan mit einer zur Bewegung Baltikas und Sibiriens vergleichbaren Geschwindigkeit Richtung Norden. \nDie Verteilung kasachischer Richtungen deutet mehrere Phasen magnetischer \xdcberpr\xe4gung mit signifikanter regionaler Ausbreitung an. Eine in Baltika sehr verbreitet auftretende permische \xdcberpr\xe4gung spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. \nDie in S\xfcdkasachstan nachgewiesenen Rotationen k\xf6nnen nicht mit dem tektonischen Modell zur Entwicklung des Kipchak Bogens von Seng\xf6r et al. [1993] und Seng\xf6r and Natal'in [1996] in \xdcbereinstimmung gebracht werden, nach dem Rotationen von rund 90\xb0 im Uhrzeigersinn relativ zu Baltika, bzw. rund 30\xb0 relativ zu Sibirien seit dem unteren Devon zu erwarten w\xe4ren. Die pal\xe4omagnetischen Ergebnisse [diese Studie, Bazhenov, et al, 2003] zeigen im Gegensatz Rotationen gegen den Uhrzeigersinn. \nEs wird eine modifizierte Polwanderkurve f\xfcr Kasachstan vorgestellt, die auf j\xfcngeren, qualitativ hochwertigeren pal\xe4omagnetischen Daten basiert.\nDie Hypothese von Seng\xf6r and Natal'in [1996] (oroclinal bending) wird abgelehnt, stattdessen wird ein Modell entwickelt, mit dem die gekr\xfcmmten Strukturen Kasachstans mit Plattentektonik im klassischen Sinne erkl\xe4rt werden k\xf6nnen.