Die vorliegende Arbeit behandelt zwei unterschiedliche Anwendungen aus dem Bereich der numerischen Seismologie: Das erste Thema umfasst die Entwicklung und Anwendung eines Programms zur Berechnung der lokalen Wellenausbreitung\nin seismischen St\xf6rungszonen (Fault Zones) mit spezieller Fokussierung auf gef\xfchrte Wellen (Trapped Waves). Dieser Wellentyp wird an vielen St\xf6rungszonen beobachtet und aus seinen Eigenschaften k\xf6nnen Informationen \xfcber die jeweilige Tiefenstruktur abgeleitet werden.\nDas zweite Thema dieser Arbeit behandelt die Entwicklung und Anwendung zweier Verfahren zur Berechnung der globalen Wellenausbreitung, also der Ausbreitung seismischer Wellen durch die gesamte Erde einschlie\xdflich des \xe4u\xdferen und inneren Erdkerns. Die verwendeten Methoden erm\xf6glichen es, kleinr\xe4umige Strukturen in gro\xdfen Tiefen wie zum Beispiel die Streueigenschaften des Erdmantels oder die kleinskalige Geschwindigkeitsstruktur an der Kern-Mantelgrenze in knapp 2900 km Tiefe zu untersuchen.\nWellenausbreitung in seismischen St\xf6rungszonen:\nSeismische St\xf6rungszonen, wie zum Beispiel der San Andreas Fault in Kalifornien, zeigen auf beeindruckende Weise, wie die Gestalt der Erdoberfl\xe4che durch seismische Aktivit\xe4t als Folge tektonischer Prozesse gepr\xe4gt wird. Die genaue Kenntnis der Tiefenstruktur einer St\xf6rungszone hingegen bietet zus\xe4tzlich einen Einblick in die vergangene Seismizit\xe4t, die die Struktur der jeweiligen St\xf6rung gepr\xe4gt hat. Neben den tektonischen Eigenschaften einer Region lassen sich aus der Tiefenstruktur auch Voraussagen \xfcber H\xe4ufigkeit und zu erwartende St\xe4rke zuk\xfcnftiger Erdbeben ableiten. Da Erdbeben vorzugsweise in solchen\nSt\xf6rungszonen auftreten, ist eine m\xf6glichst genaue Kenntnis der Geometrie einer Schw\xe4chezone wichtig, um Regionen mit erh\xf6htem Gef\xe4hrdungspotenzial zu erkennen.\nF\xfcr die Untersuchung der Tiefenstruktur einer St\xf6rungszone stehen in vielen F\xe4llen ausschlie\xdflich Messungen von der Erdoberfl\xe4che zur Verf\xfcgung, etwa von seismischen Netzen, die in unmittelbarer Umgebung oder direkt auf einer St\xf6rung\nplatziert wurden. Ereignet sich nun ein Erdbeben in einigen Kilometern Tiefe innerhalb der St\xf6rungszone, breitet sich ein Teil der angeregten seismischen Wellen durch die gesamte St\xf6rungszone bis zur Erdoberfl\xe4che aus, wo sie\nregistriert werden. Die aufgezeichneten Signale werden somit entlang ihres gesamten Laufweges durch die Struktur der St\xf6rungszone beeinflusst, was die Ableitung der tiefenabh\xe4ngigen Struktur aus den Messdaten erschwert.\nUm trotzdem ein genaues seismisches Abbild einer St\xf6rungszone zu bekommen, analysiert man unterschiedliche Wellentypen im Seismogramm, wodurch ein Maximum an Strukturinformation abgeleitet werden kann. Einer dieser\nWellentypen, der sich durch besondere Eigenschaften auszeichnet, ist die gef\xfchrte Welle (Trapped Wave). Diese entsteht, wenn eine St\xf6rungszone einen ausgepr\xe4gten vertikal ausgedehnten Bereich drastisch reduzierter seismischer Ausbreitungsgeschwindigkeit (Low Velocity Layer) und nicht zu komplexer Geometrie besitzt, der als seismischer Wellenleiter wirkt. In einem solchen Wellenleiter kann sich eine gef\xfchrte Welle ausbreiten, die als mit Abstand st\xe4rkstes Signal an der Erdoberfl\xe4che registriert wird, also deutlich st\xe4rkere Bodenbewegungen hervorruft als etwa die direkte Welle. Dieser Verst\xe4rkungseffekt hat unter anderem Konsequenzen f\xfcr die Absch\xe4tzung der seismischen Gef\xe4hrdung in der N\xe4he einer St\xf6rungszone, zum Beispiel wenn die St\xf6rungszone durch dicht besiedeltes Gebiet verl\xe4uft. Gef\xfchrte Wellen beinhalten aufgrund ihrer hohen Sensitivit\xe4t bez\xfcglich der\nEigenschaften von Niedergeschwindigkeitszonen Strukturinformationen, die aus anderen Wellentypen nicht abgeleitet werden k\xf6nnen. Daher leistet das Verst\xe4ndnis dieses Wellentyps einen wichtigen Beitrag f\xfcr die Ableitung\nm\xf6glichst vollst\xe4ndiger Modelle von St\xf6rungszonen.\n\nAusbreitung von SH- und P-SV Wellen in Erdmantel und der ganzen Erde:\nDas allgemeine Verst\xe4ndnis der Struktur und Dynamik des tiefen Erdinneren basiert zu einem gro\xdfen Teil auf den Ergebnissen der globalen Seismologie. Im Gegensatz zum ersten Teil dieser Arbeit haben diese Erkenntnisse keine\nunmittelbare Auswirkung auf unser t\xe4gliches Leben. Jedoch liefert die Kenntnis des inneren Aufbaus der Erde wichtige Erkenntnisse f\xfcr die geophysikalische Grundlagenforschung bis hin zum Verst\xe4ndnis der Entstehungsgeschichte der Erde und unseres Planetensystems. Die Modellierung der globalen seismischen Wellenausbreitung unterscheidet sich von der lokalen Modellierungen in zwei wesentlichen Punkten: (1) die wesentlich gr\xf6\xdfere Ausdehnung globaler Modelle, welche die gesamte Erde oder zumindest gro\xdfe Teile des Erdinnern beinhalten, und (2) der Eigenschaft seismischer Wellen, sich im globalen Ma\xdfstab haupts\xe4chlich in der Ebene auszubreiten, die durch den Gro\xdfkreis zwischen Quelle und Empf\xe4nger aufgespannt wird. Beide Punkte legen nahe, zur Verringerung des Rechenaufwands eine Symmetriebedingung\neinzuf\xfchren. In dieser Arbeit wird durch die Formulierung von Wellengleichung und Modell in einem sph\xe4risch-achsensymmetrischen Koordinatensystem der \u2013 im globalen Ma\xdfstab im Allgemeinen geringe \u2013 Anteil von Variationen der\nseismischen Parameter und von Wellenfeldanteilen orthogonal zur Gro\xdfkreisebene vernachl\xe4ssigt. Diese Beschr\xe4nkung f\xfchrt zu einer enormen Einsparung an Rechenressourcen, da das zu berechnende seismische Wellenfeld nur noch zwei Dimensionen aufspannt. Eine Folge der Achsensymmetrie ist die Aufspaltung des seismischen Wellenfeldes in einen SH- und einen P-SV Anteil. Beide Wellenfeldanteile sind voneinander entkoppelt und breiten sich in unterschiedlichen Regionen des Erdinneren aus. Zur Berechnung des SH- und des P-SV Wellenfeldes wurden daher in dieser Arbeit zwei separate Programme SHaxi und PSVaxi entwickelt. Kapitel 3 behandelt die Berechnung des globalen SH Wellenfeldes f\xfcr Achsensymmetrische Geometrien mit dem im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Programm SHaxi. Das SH Wellenfeld besteht aus horizontal polarisierten Scherwellen, die sich in guter N\xe4herung ausschlie\xdflich im Erdmantel, also zwischen Erdoberfl\xe4che und Kern-Mantelgrenze ausbreiten. Somit muss nur der Erdmantel als Modellraum abgebildet werden, was die Diskretisierung des Modells und die Implementierung der Wellengleichung deutlich vereinfacht. Um\neine Anwendung auf modernen Parallelcomputern mit verteilter\nSpeicherarchitektur zu erm\xf6glichen, wurde der Modellraum durch vertikale Schnitte in gleichgro\xdfe Segmente geteilt, die von den einzelnen Elementen (Knoten) eines Parallelrechners getrennt bearbeitet werden k\xf6nnen. Das\nWellenfeld in den Randbereichen dieser Segmente muss dabei nach jedem Zeitschritt explizit zwischen benachbarten Knoten ausgetauscht werden, um die Ausbreitung durch das gesamte Modell zu erm\xf6glichen. Ein wesentlicher Aspekt des Kapitels ist die Verifikation des Verfahrens unter\nbesonderer Ber\xfccksichtigung der implementierten Ringquelle. Durch einen Vergleich mit analytisch berechneten Seismogrammen werden die Eigenschaften der implementierten achsensymmetrischen Ringquelle diskutiert und es wird\ngezeigt, dass das Programm korrekte Seismogramme berechnet, die mit einer realistischen Double-Couple Quelle vergleichbar sind. Abschlie\xdfend werden bisherige Anwendungen des Programms gezeigt: (1) die Modellierung von\nStreuung im gesamten Erdmantel und (2) die Untersuchung von kleinskaliger Topographie der D\u201c Schicht im untersten Erdmantel. Kapitel 4 behandelt das Gegenst\xfcck des im vorherigen Kapitel behandelten Verfahrens: Das Programm PSVaxi zur Berechnung des globalen P-SV Wellenfeldes f\xfcr achsensymmetrische Geometrien. Im Gegensatz zum SH\nWellenfeld breitet sich das P-SV Wellenfeld nicht nur im Erdmantel sondern auch im \xe4u\xdferen und inneren Erdkern aus. Dies erforderte eine Erweiterung des Modellraums bis praktisch zum Erdmittelpunkt, die sich mit dem im SH Fall\nverwendeten gleichf\xf6rmigen Gitter aufgrund von Grunds\xe4tzlichen Stabilit\xe4tsproblemen des verwendeten Finite Differenzen Verfahrens nicht durchf\xfchren l\xe4sst.\nUm diesen zus\xe4tzlichen Modellraum zu erschlie\xdfen wurde eine Mehrgebietsmethode (Multi-Domain Method) implementiert. Diese f\xfcllt zus\xe4tzliche Tiefenbereiche mit neuen, jeweils gleichf\xf6rmigen Gittern (Domains) aus, deren Gitterabst\xe4nde an den jeweiligen Tiefenbereich angepasst sind, was f\xfcr die\nnotwendige Stabilit\xe4t des Verfahrens sorgt. Zus\xe4tzlich zur tiefenabh\xe4ngigen Aufteilung des Modellraumes in gleichf\xf6rmige Gitter wurde eine Parallelisierung vorgenommen, um das Programm auf Parallelcomputern nutzen zu k\xf6nnen. Dazu wurde der Modellraum durch horizontale Schnitte in einzelne Segmente zerlegt, die \u2013 analog zu den vertikalen Schnitten bei der SHaxi Parallelisierung \u2013 von den einzelnen Knoten eines Parallelrechners bearbeitet werden k\xf6nnen. Die Kombination von Mehrgebietsmethode und Segmentierung f\xfchrt zu einem recht aufwendigen Algorithmus, erlaubt jedoch die Berechnung des hochfrequenten globalen Wellenfeldes durch die ganze Erde auf Parallelrechnern mit\nvergleichsweise geringem Rechenaufwand. Erste Anwendungen des PSVaxi Programms werden am Ende des Kapitels diskutiert: (1) eine exemplarische Modellierung der Wellenausbreitung in einer angenommenen D\u201c Schicht mit Topographie (2) eine Studie des Einflusses von Niedergeschwindigkeitszonen mit Topographie auf seismische Phasen, die durch den untersten Mantel und den \xe4u\xdferen Kern verlaufen und (3) eine Arbeit, die die Streueigenschaften des Mantels aus an der Kern-Mantelgrenze diffraktieren\nWellen ableitet.