Neurotrophine sind f\xfcr die Entwicklung und Funktion des Nervensystems von Wirbeltieren unabdingbar. Sie entfalten ihre vielf\xe4ltigen Funktionen \xfcber zwei Typen von Transmembranrezeptoren. Einerseits binden sie an die Trk-Rezeptoren, andererseits an den Neurotrophinrezeptor p75NTR. Obwohl p75NTR der erste klonierte Neurotrophinrezeptor war, wird die Wirkungsweise von Trk-Rezeptoren heute besser verstanden als von p75NTR. Erstens besitzen Trk-Rezeptoren als Rezeptortyrosinkinasen im Gegensatz zu p75NTR eine intrinsische enzymatische Aktivit\xe4t, was die Aufkl\xe4rung ihrer Signaltransduktionsmechanismen bedeutend erleichtert hat. Zweitens vermitteln Trk-Rezeptoren die klassische trophische Funktion der Neurotrophine, p75NTR hingegen neuartige Funktionen von Neurotrophinen, die zuvor noch nicht bekannt waren. Diese nicht-klassischen Funktionen, wie beispielsweise die Zelltod ausl\xf6sende Wirkung von NGF, werden erst seit den letzten Jahren untersucht. Drittens konnte die Funktion der Trk-Rezeptoren in vollst\xe4ndigen Deletionsmutanten der Maus analysiert werden, wohingegen von p75NTR erst seit kurzem ein vollst\xe4ndiger Knockout existiert. In unserem Labor war n\xe4mlich gefunden worden, dass eine Splei\xdfvariante von p75NTR in der bereits beschriebenen Deletionsmutante noch exprimiert wird.\nAm Beginn dieser Doktorarbeit stand die n\xe4here Charakterisierung dieser Splei\xdfvariante im Vordergrund. Um ihre physiologische Relevanz zu kl\xe4ren, wurde zun\xe4chst versucht, die Splei\xdfvariante als endogenes Protein zu detektieren. Dies gelang in Kulturen aus prim\xe4ren Schwannzellen. Wie zudem gezeigt wurde, ist diese Rezeptorisoform in einer in unserem Labor generierten Deletionsmutante von p75NTR nicht mehr vorhanden. Dar\xfcber hinaus wurde ein erheblich st\xe4rkerer Schwannzellph\xe4notyp in der neuen Deletionsmutante gefunden im Vergleich zur bereits beschriebenen. Letztere stellt somit einen Hypomorph dar. Die Funktion von p75NTR konnte nunmehr erstmals mit Hilfe eines vollst\xe4ndigen Knockouts untersucht werden.\nWurde p75NTR zun\xe4chst lediglich eine die Trk-Rezeptoren modulierende Funktion zugeschrieben, war bei Beginn dieser Doktorarbeit in mehreren Ans\xe4tzen gezeigt worden, dass p75NTR unabh\xe4ngig von den Trk-Rezeptoren eigenst\xe4ndige Signalaktivit\xe4t besitzt, die zudem derjenigen der Trk-Rezeptoren entgegengerichtet sein kann. F\xfcr eine detaillierte molekulare Analyse der Funktion von p75NTR ist ein In-vitro-Assay unverzichtbar. Ein zentrales Ziel dieser Arbeit war deshalb die Etablierung eines solchen Assays.\nEin In-vitro-Assay f\xfcr p75NTR unter Verwendung der vollst\xe4ndigen Deletionsmutante konnte in cerebell\xe4ren K\xf6rnerzellen etabliert werden. Aktivierung von p75NTR mit NGF f\xfchrt zu einer Erh\xf6hung der RhoA-Aktivit\xe4t. Dar\xfcber hinaus konnte gezeigt werden, dass auch TNFR, wie p75NTR ein Mitglied der TNFR-\xdcberfamilie, RhoA aktiviert, obgleich mit einer klar unterschiedlichen Kinetik. Die TNFa-vermittelte Regulation von RhoA hemmte das Auswachsen von Neuriten. Im cerebell\xe4ren Kultursystem konnte jedoch kein Effekt von NGF auf das Neuritenwachstum festgestellt werden. Weil Rho aber auch die Transkription steuern kann, wurde die Wirkung von NGF auf das Genexpressionsmuster von K\xf6rnerzellen mit einem \u2018Gene-Profiling\u2019-Experiment analysiert. Es wurden 69 Gene, die durch NGF entweder hoch- oder hinunterreguliert werden und zum Teil \u2018Cluster\u2019 bilden, gefunden. Mit Hilfe der vollst\xe4ndigen Deletionsmutante wurden bisher GAP-5 und GluR2 als neue Zielgene von p75NTR identifiziert. GluR2 kodiert f\xfcr eine der vier AMPA-Rezeptor-Untereinheiten und spielt eine zentrale Rolle f\xfcr die synaptische Plastizit\xe4t. Da in einem unabh\xe4ngigen Ansatz ein Defekt bei der Auspr\xe4gung von hippocampalem LTD (\u2018long term depression\u2019), einer Form von synaptischer Plastizit\xe4t, im vollst\xe4ndigen Knockout von p75NTR gefunden worden war, wurde der weitere Schwerpunkt dieser Arbeit auf den AMPA-Rezeptor gelegt. Die weitere Untersuchung aller AMPA-Rezeptor-Untereinheiten im Hippocampus ergab, dass neben GluR2 auch GluR3 ein Zielgen von p75NTR ist und dass zudem GluR2 wie auch GluR3, jedoch nicht GluR1 und GluR4, in vivo im p75NTR-Knockout im Vergleich zum Wildtyp in ihrer Expression signifikant ver\xe4ndert sind.\nDiese Befunde legen eine ver\xe4nderte St\xf6chiometrie des AMPA-Rezeptors im p75NTR-Knockout nahe und liefern einen Erkl\xe4rungsansatz f\xfcr das ver\xe4nderte LTD in der p75NTR-Deletionsmutante. Zudem erweitern sie das Konzept der Bedeutung von Neurotrophinen f\xfcr die synaptische Plastizit\xe4t im Allgemeinen und der von p75NTR im Speziellen.