Entwicklung und erfahrungsabhangige Plastizitat neuronaler Mechanismen fur Schalllokalisation bei Saugern

Published: Nov. 26, 2003, 11 a.m.

Schalllokalisation ist eine der wichtigsten Aufgaben unseres H\xf6rsystems. Die Position von tieffrequenten Schallquellen wird vor allem auf der Basis von interauralen Zeitdifferenzen (ITD) bestimmt. Die Verarbeitung solcher ITDs findet in der medialen oberen Olive (MSO), einer Struktur des auditorischen Hirnstamms statt (Goldberg and Brown, 1969; Yin and Chan, 1990; Spitzer and Semple, 1995), die zum ersten Mal in der aufsteigenden H\xf6rbahn binaurale akustische Information verarbeitet. Die Zellen in der MSO bekommen von beiden Ohren erregende und hemmende Eing\xe4nge. Ein zeitlich pr\xe4zise abgestimmtes Zusammenspiel dieser vier Eing\xe4nge sorgt f\xfcr die richtige Einstellung der ITD-Empfindlichkeit in der W\xfcstenrennmaus (Brand et al., 2002). Die Koinzidenz der erregenden Eing\xe4ngen alleine erzeugt eine ITD-Sensitivit\xe4t, die bei ca. 0 ITD ihre maximale Antwort hat. Dadurch liegt die maximale Steigung der ITD-Funktion au\xdferhalb des physiologisch relevanten Bereiches. Die Inhibition sorgt daf\xfcr, dass die maximale Antwort in den contralateralen Bereich verschoben und somit die maximale Steigung der ITD-Funktion auf den Bereich der physiologisch relevanten ITDs abgestimmt wird. Die glyzinergen inhibitorischen Projektionen zur MSO der W\xfcstenrennmaus sind vor H\xf6rbeginn noch diffus verteilt und innervieren Somata und Dendriten gleicherma\xdfen. Weniger als zwei Wochen nach H\xf6rbeginn sind diese hemmenden Eingange jedoch auf die Somata der MSO-Neurone beschr\xe4nkt (Seidl, 1999). Diese Beschr\xe4nkung ist abh\xe4ngig von binauraler Aktivit\xe4t (Kapfer, 1999). \nIn der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, dass diese Eliminierung der dendritischen inhibitorischen Eing\xe4nge in der W\xfcstenrennmaus durch die Aufzucht in omnidirektionalem wei\xdfem Rauschen w\xe4hrend einer kritischen Periode nach H\xf6rbeginn unterdr\xfcckt werden kann. F\xfcr die normale Entwicklung der r\xe4umlichen Verteilung der glyzinergen Synapsen in der MSO ist also normale akustische Erfahrung notwendig. Bei Tieren, die ITDs nicht zur Schalllokalisation verwenden, kommt es zu keiner solchen Entwicklung. Vor H\xf6rbeginn und auch im Erwachsenenstadium sind die inhibitorischen Eing\xe4nge auf den Zellen der MSO gleichm\xe4\xdfig \xfcber Soma und Dendriten verteilt.\nAls weiteres Ergebnis wird beschrieben, dass es eine Ver\xe4nderung der ITD-Empfindlichkeit nach H\xf6rbeginn gibt. Die Abstimmung der maximalen Steigungen der ITD-Funktionen auf den physiologischen Bereich nach H\xf6rbeginn unterbleibt, wenn die r\xe4umlichen akustischen Signale durch wei\xdfes Rauschen w\xe4hrend der kritischen Periode maskiert werden. Diese Entwicklung korreliert mit der Verteilung der glyzinergen Synapsen an MSO-Neuronen. Werden erwachsene Tiere wei\xdfem Rauschen ausgesetzt, so kommt es zu einer \xc4nderung der ITD-Empfindlichkeit, die reversibel ist, aber nicht mit der unterdr\xfcckten Entwicklung nach H\xf6rbeginn vergleichbar ist.\nDiese Arbeit zeigt, dass die korrekte strukturelle Entwicklung inhibitorischer Synapsen notwendig ist um die biophysikalische Grundlage f\xfcr Schalllokalisationsmechanismen zu schaffen. Diese Entwicklung ist abh\xe4ngig von der Erfahrung r\xe4umlicher akustischer Signale. Somit ist sie ein Beispiel f\xfcr ein System, das sich direkt durch die Information die es sp\xe4ter verarbeitet, selbst abstimmt und optimiert.