Wie wirkt sich die Biegesteifigkeit von Klaviersaiten auf die Stimmung aus? Dieser Frage ist Niels Ranosch nachgegangen und erkl\xe4rt uns im Gespr\xe4ch mit Gudrun Th\xe4ter seine Ergebnisse. Das Schwingen von Klaviersaiten wird oft mit mit der Wellengleichung modelliert und simuliert; die Annahme ist hier, dass die Saite unendlich d\xfcnn ist. Betrachtet man die Saite jedoch mit realistischer Querschnittsfl\xe4che, so treten durch Dehnung und Stauchung weitere Kr\xe4fte im Material auf, und man muss in einem erweiterten Modell gerade f\xfcr dicke oder kurze Saiten die Biegesteifigkeit der Saiten ber\xfccksichtigen. Die Wellengleichung ist eine partielle Differentialgleichung, die die Auslenkung der Saite mit zweiten Ableitungen im Raum und Zeit beschreibt. Zur Erweiterung des Modells wurde die Saite in einzelne Teilfasern aufgeteilt, f\xfcr die jeweils einzeln die Biegesteifigkeit ber\xfccksichtigt wurde. Beim \xdcbergang zu unendliche d\xfcnnen Teilfasern erh\xe4lt man eine erweiterte Differentialgleichung, in der nun auch Raumableitungen vierter Ordnung auftreten. Bei der L\xf6sung des erweiterten Modells ergibt sich nun, dass die Obert\xf6ne nicht perfekte Vielfache des Grundtons sind, und daher bei genauer Stimmung des Grundtons nicht harmonisch zu h\xf6heren T\xf6nen w\xe4ren. Daher werden die Grundt\xf6ne der Saiten absichtlich leicht verstimmt, damit die Obert\xf6ne akzeptabel zu h\xf6heren T\xf6nen passen. Ein weiteres Problem f\xfcr die Harmonie auf dem Klavier liegt im Quintenzirkel oder am Pythagoreischen Komma: Grunds\xe4tzlich kann man nicht gleichzeitig Quinten mit Frequenzverh\xe4ltnis 3/2 und Oktaven mit Frequenzverh\xe4ltnis 2 auf einem Klavier perfekt stimmen; man kann durch Multiplikation mit 3/2 kein Vielfaches von 2 erreichen. Nach 12 Quinten kommt man dem Ton nach 7 Oktaven sehr nahe, und dies wurde als Grundlage f\xfcr das Klavier mit 12 Tasten pro Oktave gew\xe4hlt. Den Fehler versucht man dann mit unterschiedlichen Stimmungen irgendwie ertr\xe4glich zu machen, wie mit der heutzutage g\xe4ngigen gleichstufigen Stimmung.