Kinetische Theorie

Published: Dec. 21, 2017, 11:30 p.m.

Seit September 2017 ist Martin Frank am KIT t\xe4tig. Er ist einerseits ein Direktor des Steinbuch Centre for Computing (SCC) und leitet dort die Arbeitsgruppe f\xfcr Computational Science and Mathematical Methods. Andererseits geh\xf6rt er als Professor der KIT-Fakult\xe4t f\xfcr Mathematik an, h\xe4lt also mathematische Lehrveranstaltungen und f\xfchrt junge Leute zur Promotion. In diesen beiden Rollen dr\xfcckt sich schon die Interdisziplinarit\xe4t seiner Arbeit aus. Er hat schon langj\xe4hrige Erfahrung in dieser Doppelrolle gesammelt durch \xe4hnliche Aufgaben an der RWTH Aachen. Gudrun wollte sich mit unserem neuen Kollegen \xfcber sein haupts\xe4chliches Forschungsthema, die kinetische Theorie unterhalten. Diese Denkweise wurde zur Modellierung von Gasen entwickelt und ist inspiriert von physikalischen Vorstellungen, die kinetische Energie als inh\xe4rente Eigenschaft von Materie ansieht. Die kinetische Gastheorie schaut auf die mikroskopische Ebene, um schlie\xdflich makroskopische Gr\xf6\xdfen wie W\xe4rme und Temperatur besser zu erkl\xe4ren. Im sogenannten idealen Gas bewegen sich unfassbar viele kleine Massepunkte entsprechend der Newtonschen Mechanik frei, ungeordnet und zuf\xe4llig im Raum, sto\xdfen dabei ab und zu zusammen und wir empfinden und messen den Grad der Bewegungsaktivit\xe4t der Teilchen als W\xe4rme. Die Einheit, die man dieser Gr\xf6\xdfe zun\xe4chst zuwies war Kalorie von lat. Calor=W\xe4rme. Heute ist die richtige SI-Einheit f\xfcr Energie (und damit auch W\xe4rme) das Joule. Die messbare Gr\xf6\xdfe Temperatur ist damit vereinfacht ausgedr\xfcckt die mechanische Engergie im Gassystem und das Modell liefert eine kinetische Theorie der W\xe4rme. Man kann es aber auch als Vielteilchensystem von mikroskopischen Teilchen ansehen aus denen sich in klar definierten (unterschiedlichen) Grenzwertprozessen makroskopische Gr\xf6\xdfen und deren Verhalten ableiten lassen. Die Untersuchung dieser Grenzwerte ist eine mathematisch sehr anspruchsvolle Aufgabe und bis heute ein offenes Forschungsfeld, in dem nur St\xfcck f\xfcr St\xfcck spezielle Fragen beantwortet werden. Eine Schwierigkeit ist dabei n\xe4mlich, dass automatisch immer sehr unterschiedliche Skalen nebeneinander existieren und in ihrer Interaktion richtig gefa\xdft und verstanden werden m\xfcssen. Au\xdferdem ist in der Regel jeder Grenzwert, f\xfcr den sich interessante Forschungsergebnisse ergeben, innerhalb der Theorie eine Singularit\xe4t. Schon Hilbert hatte 1900 die axiomatische Fassung der Physik zwischen Mechanik und Wahrscheinlichkeitsrechnung als eines der wichtigen mathematischen Probleme f\xfcr das 20. Jahrhundert dargestellt. Wir sind seitdem vorangekommen, aber es bleibt noch sehr viel zu tun. Zum Beispiel ist die m\xf6gliche Korreliertheit zwischen den Teilchenbewegungen f\xfcr Gase eine offene Frage (au\xdfer f\xfcr kurze Zeiten). Ein Vorteil gegen\xfcber der Zeit Hilberts ist heute, dass wir inzwischen auch den Computer benutzen k\xf6nnen, um Modelle zu entwickeln und zu analysieren. Daf\xfcr muss man nat\xfcrlich geeignete numerische Methoden entwickeln. In der Arbeit von Martin Frank sind es in der Regel Integro-Differentialgleichungen mit hyperbolischer partieller Differentialgleichung f\xfcr die Modellierung von Bewegungen ohne D\xe4mpfung. Diese haben schon durch die Formulierung viele Dimensionen, n\xe4mlich jeweils 3 Orts- und 3 Geschwindigkeitskomponenten an jedem Ort des Rechengebietes. Deshalb sind diese Simulationen nur auf gro\xdfen Parallelrechnern umsetzbar und nutzen High Performance Computing (HPC). Hieraus erkl\xe4rt sich auch die Doppelrolle von Martin Frank in der Verantwortung f\xfcr die Weiterentwicklung der HPC-Gruppe am Rechenzentrum des KIT und der Anwendung von Mathematik auf Probleme, die sich nur mit Hilfe von HPC behandeln lassen. Sehr interessant ist in dieser Theorie die gegenseitige Beeinflussung von Numerik und Analysis in der Behandlung kleiner Parameter. Au\xdferdem gibt es Ankn\xfcpfungspunkte zur Lattice Boltzmann Research Group die am KIT das Software-Paket OpenLB entwickeln und anwenden. (...)