Gudrun ist zu Besuch an der ETH in Z\xfcrich und spricht dort mit Laura Keller. Laura hat an der ETH Mathematik und theoretische Physik studiert und wurde dort auch promoviert. Anschlie\xdfend forschte und unterrichtete sie jeweils einige Jahre in M\xfcnster, Lausanne und Luzern. Heute arbeitet sie als Senior Scientist an Str\xf6mungsmodellen, wie sie in Anwendungen in der Biologie, z.B. im menschlichen K\xf6rper vorkommen. Hier gibt es ganz unterschiedliche biologische und medizinische Fragen. Bekanntlich enth\xe4lt der menschliche K\xf6rper viel Wasser. Die Bewegung von Blut oder Gehirnfl\xfcssigkeit ist aber nicht wie die von Wasser, sondern u.a. durch im Fluid gel\xf6ste Zellen mitbestimmt, die mit der Fl\xfcssigkeit in unterschiedlich breiten Gef\xe4\xdfen transportiert werden. Auch Tumorwachstum l\xe4sst sich mit solchen Gleichungen studieren. Wenn man eine konkrete Frage im Blick hat, muss man als n\xe4chstes entscheiden, was man genau erreichen will: braucht man ein Modell, mit dem man Beobachtungen im Prinzip nachvollziehen kann oder muss es ein Modell sein, das kalibriert ist und m\xf6glichst genau experimentelle Daten abbildet und Prognosen geben kann? Im Einzelnen hei\xdft das zu entscheiden, welche Effekte sind wichtig und werden in das Modell einbezogen? Beispielsweise kann man f\xfcr eine partikelbehaftete Str\xf6mung sowohl Partikel als auch die Str\xf6mung gleichzeitig vollst\xe4ndig modellieren oder man homogenisiert beide zu einer Fl\xfcssigkeit mit Eigenschaften, die so ungef\xe4hr die wichtigen Eigenschaften der Mischung hat. Klassisch nimmt man hier gern Oldroyd-B-Modelle f\xfcr Partikelstr\xf6mungen, da sie sowohl ein elastisches als auch ein viskoses Str\xf6mungsverhalten zeigen. Sind gel\xf6ste Zellen aber solche Partikel oder nicht? Ein denkbarer Zugang, biologische in Fl\xfcssigkeit gelagerte Zellen zu untersuchen w\xe4re es auch, mit den unterschiedlichen Dichten als Hauptinformation zu arbeiten. Es ist nicht so klar, wohin man am sinnvollsten vom Standardmodell abweicht, um die Modelle realit\xe4tsn\xe4her zu machen. Laura kommt aus der geometrischen Analysis und macht deshalb besonders gern die Arbeiten zur prinzipiellen mathematischen Absicherung von Modellen. D.h. sie beweist in ihren Arbeiten Existenz, Eindeutigkeit und Regularit\xe4t von L\xf6sungen der sehr nichtlinearen Gleichungssysteme. Mathematisch ist es immer hilfreich, wenn man im Modell bestimmte Struktureigenschaften wie Symmetrie oder Energieminima ausnutzen kann. Ein wichtiges Thema sind f\xfcr sie Str\xf6mungen ohne Gravitation. Im Experiment kann man z.B. einen horizontalen Zylinder betrachten und durch eine Drehbewegung um die Symmetrieachse die mittlere Gravitation zum verschwinden bringen. Die publikumswirksamen Anwendungen sind hier Probleme mit Muskeln und Bandscheiben im Weltall. Allerdings sind physiologische Befunde f\xfcr bettl\xe4gerige Personen \xe4hnlich wie die f\xfcr Personen im Weltall, denn denen fehlt der f\xfcr ihren Bewegungsapparat wichtige Wechsel zur Gravitationsrichtung \xfcber den Verlauf des Tages hinweg. (...)