Fraktale Geometrie

Published: Jan. 5, 2017, 10 a.m.

Steffen Winter befasst sich mit fraktaler Geometrie, also mit Mengen, deren Dimension nicht ganzahllig ist. Einen intuitiven Zugang zum Konzept der Dimension bieten Skalierungseigenschaften. Ein einfaches Beispiel, wie das funktioniert, ist das folgende: Wenn man die Seiten eines W\xfcrfels halbiert, reduziert sich das Volumen auf ein Achtel (ein Halb hoch 3). Bei einem Quadrat f\xfchrt die Halbierung der Seitenl\xe4nge zu einem Viertel (ein Halb hoch 2) des urspr\xfcnglichen Fl\xe4cheninhalts und die Halbierung einer Strecke f\xfchrt offenbar auf eine halb so lange Strecke (ein Halb hoch 1). Hier sieht man sehr schnell, dass die uns vertraute Dimension, n\xe4mlich 3 f\xfcr den W\xfcrfel (und andere K\xf6rper), 2 f\xfcr das Quadrat (und andere Fl\xe4chen) und 1 f\xfcr Strecken (und z.B. Kurven) in die Skalierung des zugeh\xf6rigen Ma\xdfes als Potenz eingeht. Mengen, bei denen diese Potenz nicht ganzzahlig ist, ergeben sich recht \xe4sthetisch und intuitiv, wenn man mit selbst\xe4hnlichen Konstruktionen arbeitet. Ein Beispiel ist der Sierpinski-Teppich. Er entsteht in einem iterativen Prozess des fortgesetzten Ausschneidens aus einem Quadrat, hat aber selbst den Fl\xe4cheninhalt 0. Hier erkennt man durch die Konstruktion, dass die Skalierung ln 8/ln 3 ist, also kein ganzzahliger Wert sondern eine Zahl echt zwischen 1 und 2. Tats\xe4chlich sind das Messen von L\xe4ngen, Fl\xe4chen und Volumina schon sehr alte und insofern klassische Probleme und auch die Defizite der beispielsweise in der Schule vermittelten Formeln beim Versuch, sie f\xfcr Mengen wie den Sierpinski-Teppich anzuwenden, werden schon seit etwa 100 Jahren mit verschiedenen angepassten Ma\xdf- und Dimensionskonzepten behoben. Ein Dimensionsbegriff, der ganz ohne die Hilfe der Selbst\xe4hnlichkeit auskommt, wurde von Felix Hausdorff vorgeschlagen und hei\xdft deshalb heute Hausdorff-Dimension. Hier werden \xdcberdeckungen der zu untersuchenden Menge mit (volldimensionalen) Kugeln mit nach oben beschr\xe4nktem (aber ansonsten beliebigem) Durchmesser angeschaut. Die Durchmesser der Kugeln werden zu einer Potenz s erhoben und aufsummiert. Man sucht unter allen \xdcberdeckungen diejenigen, bei denen sich so die kleinste Durchmessersumme ergibt. Nun l\xe4sst man den maximal zul\xe4ssigen Durchmesser immer kleiner werden. Die Hausdorff-Dimension ergibt sich als die kleinstm\xf6gliche Potenz s, f\xfcr die diese minimalen Durchmessersummen gerade noch endlich bleiben. Ein verwandter aber nicht identischer Dimensionsbegriff ist die sogenannte Box-Dimension. F\xfcr hinreichend gutartige Mengen stimmen Hausdorff- und Box-Dimension \xfcberein, aber man kann zum Beispiel Cantormengen konstruieren, deren Dimensionen verschieden sind. F\xfcr die Box-Dimension kann der Fall eintreten, dass die Vereinigung abz\xe4hlbar vieler Mengen der Dimension 0 zu einer Menge mit Dimension echt gr\xf6\xdfer als 0 f\xfchrt, was im Kontext von klassischen Dimensionen (und auch f\xfcr die Hausdorff-Dimension) unm\xf6glich ist und folglich eher als Hinweis zu werten ist, mit der Box-Dimension sehr vorsichtig zu arbeiten. (...)